Dienstag, 6. Mai 2008

Die deutsche Übersetzung von Winn Dixie

1. Kapitel

Ich heisse India Opal Buloni. Eines Tages, im vergangenen Herbst, hatte mich mein Vater, der Pfarrer ist in unserer Kirche, in den Supermarkt Winn-Dixie ge­schickt, um einen Pack Maccaroni, Reis, ein wenig Käse und Tomaten zu kau­fen. Ich brachte aber weder Maccaroni noch Käse, weder Tomaten noch Reis nach Hause, ich brachte einen Hund nach Hause.

Was sich da abgespielt hatte, werdet ihr gleich erfahren.

Ich ging also zu den Gestellen im Supermarkt, wo die Früchte und das Gemüse lagen. Als ich meine Tomaten aussuchen wollte, stiess ich mit dem Geschäfts­führer zusammen. Dieser stand da, mit einem ganz roten Gesicht, schrie und fuchtelte mit seinen Armen in alle Richtungen.

„Wer hat diesen Hund hereingelassen?“ wiederholte er ein paar mal ausser Atem.

Einen Hund konnte ich nirgendwo sehen, aber ich sah einen Haufen Gemüse, welches am Boden herumrollte, Tomaten, Zwiebeln und grüne Peperonis.

Die Angestellten rannten umher mit schwingenden Armen wie Windmühlen.

Dann sah ich etwas um die Ecke rennen. Es war gross, schmutzig und ziemlich hässlich. Es war dieser Hund.

Das Herumrennen schien ihm zu gefallen. Seine Zunge hing ihm aus dem Maul und der Speichel tropfte ihm aus den Maulecken. Er sah mich an und rannte mit wedelndem Schwanz auf mich zu, bremste mit den Hinterbeinen und hielt rutschend vor mir an.

Noch nie in meinem Leben hatte ich einen lachenden Hund gesehen, aber dieser machte es. Er sass vor mir und schaute mich an, dabei zog er die Lippen nach hinten und zeigte mir alle seine Zähne. Dabei wedelte er mit dem Schwanz so stark, dass er nochmals einige Orangen vom Gestell wischte. Diese rollten lustig mit den Tomaten, den Zwiebeln und den grünen Peperonis auf dem Boden herum. Ein Angestellter schrie: „Kann denn niemand diesen Hund festhalten?“ Der Hund blickte zu dem schreienden Angestellten und rannte schnurstracks auf ihn zu, er konnte aber nicht rechtzeitig bremsen und prallte mit ihm zusammen. Dieser fiel der Länge nach, vor allen Leuten, zu Boden.

Der Hund beugte sich über ihn und leckte ihm das ganze Gesicht.

„Bitte!“ schrie der Angestellte. „Kann jemand Lasso werfen? Man muss diesen wilden Hund einfangen!“

„Einen Moment,“ rief ich ihm zu, „der Hund gehört mir!“

Alle Angestellten und Kunden vom Supermarkt Winn-Dixie drehten sich nach mir um und schauten mich an.

Es war mir bewusst, dass ich eben etwas Mutiges gemacht hatte. Denn ich wusste, dass dieser streunende Hund bestimmt beim Hundefänger gelandet wäre, hätte man ihn nicht irgendwie gerettet, das konnte ich nicht zulassen. „Komm her, Kleiner!“ sagte ich.

Der Hund hörte auf, den Angestellten abzulecken, stellte seine Ohren und schaute mich an.

„Komm her zu mir, Junge!“ sagte ich noch einmal. In diesem Moment dachte ich, dass der Hund möglicherweise wie alle anderen Lebewesen es gerne hätte, wenn er mit einem Namen gerufen würde. Es war aber so, dass ich keinen Namen hatte, so sagte ich das Erste, was mir in den Sinn kam. Ich rief: „Winn-Dixie, komm her!“

Der Hund kam trottend zu mir, als ob er schon immer zu mir gehörte.

Der Angestellte setzte sich auf, schaute mich an und schüttelte den Kopf, als wollte er mich auslachen.

„Er heisst so, es ist wahr!“ sagte ich laut. Der Angestellte antwortete: „Gut, aber weißt du denn nicht, dass man Hunde nicht in den Supermarkt hineinnehmen darf?“

„Doch Herr, ich kann es mir nicht erklären, entschuldigen Sie, es kommt nicht wieder vor,“ antwortete ich.

„Komm Winn-Dixie, machen wir, dass wir hier hinaus kommen!“ sagte ich schnell.

Ich eilte bei der Gemüseabteilung vorbei, hinter mir, bei Fuss, Winn-Dixie. Wir liefen hinter den Kassen hindurch und verliessen den Supermarkt.

Als ich draussen in Sicherheit war, prüfte ich ihn vorsichtig und mir wurde klar, dass er nicht gerade schön aussah.

Er war gross, aber mager, man konnte seine Rippen zählen.

Ausserdem hatte er viele kahle Stellen im Fell. Er sah aus wie ein grosses Stück brauner Teppich, das lange Zeit der Witterung ausgesetzt gewesen war.

„Du siehst ein wenig aus wie ein Schwein!“ sagte ich. „Wette, du hast kein Herrchen!“

Winn-Dixie lächelte mich an, besser, er zog seine Lippen zurück und zeigte mir all seine Zähne, er lächelte so stark, dass er niesen musste, als ob er mir sagen wollte: „Ich weiss, ich sehe aus wie ein Schwein.“

Es war nicht einfach, mich nicht in einen Hund zu verlieben, der einen solchen Sinn für Humor hatte. „Komm!“ sagte ich zu ihm, „wir wollen sehen, was mein Vater, der Pastor, von dir hält!“ Zusammen spazierten wir nach Hause.


2. Kapitel

Jener Sommer, in dem ich Winn-Dixie begegnete, war auch der Sommer, da wir, mein Vater und ich, versetzt wurden nach Naomi Florida. Wir wohnten in einem grossen Wohnwagen mit Anhänger, dieser stand in einem Wohnwagenpark mit anderen Leuten zusammen. Hier, in dieser kleinen Stadt, musste mein Vater das Amt als Pastor in der Kirche Baptista Brazos Abiertos übernehmen.

Mein Papa ist ein guter Pastor und ein netter Mensch, aber als Papa ist er schwierig, ich komme nicht an ihn heran, weil er die ganze Zeit mit Beten oder mit dem Vorbereiten seiner Predigten beschäftigt ist. Darum sage ich fast immer Pastor, wenn ich an ihn denke oder von ihm rede.

Ich heisse India Opal. Bevor ich geboren wurde, war der Pastor Missionar in India, daher kommt mein Name India. Aber ich ziehe meinen zweiten Namen vor, weil das der Name meiner Mutter ist.

Während Winn-Dixie und ich vom Supermarkt nach Hause liefen, erzählte ich ihm, woher mein Name kam, ich sagte ihm, dass wir erst kürzlich nach Naomi gezogen seien. Ich erzählte ihm auch etwas über den Pastor und erklärte ihm, dass dieser ein guter Mensch sei, auch wenn er meistens ein wenig zerstreut war wegen seiner Predigten, wegen seinen Gebeten und wegen den schwierigen Menschen, mit denen er zu tun hatte und die er ertragen musste.

„Aber weißt du was?“ sagte ich ihm, „du bist ein lieber Hund, also ist es ganz klar, dass ich bei dir bleibe und mich um dich kümmere.“

Winn-Dixie hob den Kopf zu mir hoch und wedelte mit dem Schwanz.

Er hinkte ein wenig, als ob er irgendwelche Probleme mit einer Pfote hätte. Dazu muss ich sagen, er stank fürchterlich. Er war ein hässlicher Hund, aber ich liebte ihn schon von ganzem Herzen.

Als wir am Wohnwagenpark ankamen, sagte ich ihm, er müsse sich ganz anständig benehmen und schön leise sein, weil hier nur Erwachsene wohnten und der einzige Grund, warum ich hier sein dürfe, sei, dass ich die Tochter des Pfarrers und ein braves und ruhiges Mädchen war.

Der Direktor des Campingplatzes, Don Alfredo, sagte zu mir, ich sei deshalb eine Ausnahme.

Ich sagte Winn-Dixie, er solle auch so eine Ausnahme sein wie ich, ein ruhiger, braver und lieber Hund.

Ich erklärte ihm ganz klar, dass er weder mit den Katzen Don Alfredos noch mit dem histerischen Hündchen von Frau Detweller streiten dürfe.

Win-Dixie schaute mich aufmerksam an, während ich ihm dies alles erklärte.

Ich schwöre, dass er mich verstanden hatte.

„Setz dich!“ befahl ich ihm. Er setzte sich sofort, er war gut erzogen.

„Bleib hier sitzen!“ sagte ich ihm noch, „ich komme gleich wieder!“

Der Pastor sass im Esszimmer und arbeitete am Campingtisch, ringsum lag das Papier. Er rieb sich die Nase, was immer bedeutete, dass er ganz fest am Nachdenken war. „Papa?“ sagte ich.

„Hmm,“ antwortete er.

„Papa, erinnerst du dich noch an das , was du mir so oft sagtest, dass man sich um die kümmern sollte, die weniger Glück im Leben haben als wir?“

„Hmmm, hmm“ antwortete er, rieb seine Nase und wühlte in seinen Papieren.

„Gut!“ sagte ich, „ich habe jemanden im Supermarkt getroffen, der weniger Glück hat als wir.“

“Wirklich?“ antwortete mein Vater.

„Ja!“ erwiderte ich und sah ihn genau an.

Manchmal erinnert er mich an eine Schildkröte, den Kopf versteckt in seinem Panzer, um die Welt nicht sehen zu müssen.

„Papa, ich frage mich, ob dieser Jemand mit weniger Glück für einige Zeit bei uns bleiben könnte!“

Schlussendlich hob der Pastor den Kopf, sah mich an und sagte: „Was hast du da gerade gesagt?“

„Ich habe einen Hund gefunden und ich möchte bei ihm bleiben!“

„Keine Hunde!“ entgegnete der Pastor „Wir haben schon einmal darüber gesprochen, du brauchst keinen Hund!“

„Ich weiss,“ antwortete ich, „ich weiss schon, dass ich keinen Hund brauche, aber dieser Hund braucht mich!“

„Schau!“ rief ich und ging zur Wohnwagentüre hinaus zum Anhänger und rief:

„Winn-Dixie, komm!“

Seine Ohren schossen in die Luft, er machte Grimassen, nieste, stieg die Treppen zum Wohnwagen hinauf, trottete hinein, geradewegs auf den Pastor zu und legte ihm den Kopf in den Schoss.

Der Pastor schaute Winn-Dixie an und rümpfte die Nase, als er seine hervortretenden Rippen und seine verfilzten Haare mit den kahlen Stellen sah. Winn-Dxie erwiderte den Blick des Pastors und zog dabei seine Augenbrauen hoch, so dass man das Weisse in seinen Augen sah. Er wusste selbst, dass er fürchterlich stank. Dann zog er noch seine Lippen nach hinten und zeigte ihm seine unregelmässigen, gelben Zähne, wedelte mit dem Schwanz und fegte dabei einen grossen Stapel Papier vom Tisch. Dann nieste er noch einmal, sodass noch mehr Blätter zu Boden fielen.

„Hast du ihm einen Namen gegeben?“ fragte der Pastor.

„Winn-Dixie“, flüsterte ich, ich hatte Angst, es laut zu sagen, denn es war wichtig, dass er ruhig blieb um den besten Eindruck auf den Pastor zu machen.

„Gut“ ,sagte der Pastor zu ihm, „du bist wirklich ein armer, verwahrloster Hund, schon oft habe ich solche Kreaturen gesehen“. Er legte den Kugelschreiber hin und kraulte den Hund hinter den Ohren und fügte leise hinzu: „Einer mit weniger Glück.“

„Suchst du einen Platz?“ fragte er darauf den Hund einfühlsam.

Winn-Dixie wedelte mit dem Schwanz.

„Gut“, sagte der Pastor, „ich sehe, dass du ihn schon gefunden hast.“


3. Kapitel

So begann ich mit der Pflege meines Hundes: Als erstes musste er gut gewaschen werden. Dazu brauchte ich einen Gartenschlauch und Kinderschampo. Er war die ganze Zeit beleidigt und schämte sich, so gewaschen zu werden. Er zeigte mir weder die Zähne noch wedelte er ein einziges Mal mit dem Schwanz.

Nachdem ich ihn sauber gewaschen und gut abgetrocknet hatte, bekam er noch eine Bürstenmassage. Dazu holte ich meine erste Haarbürste, mit der man mich kämmte, als ich noch ganz klein war. Ich gab mir alle Mühe, die Knoten sanft herauszubürsten und die Schmarotzer, die sich auf der Haut festgesaugt hatten, vorsichtig zu entfernen.

Die Bürstenmassage schien ihm zu gefallen, denn er wedelte mit dem Schwanz um mir zu zeigen, wie wohl er sich dabei fühlte.

Während der Pflege sprach ich mit ihm die ganze Zeit über mich und er hörte mir aufmerksam zu.

Ich sagte ihm, wie sehr wir uns ähnlich waren.

„Schau,“ sagte ich ihm, „du hast keine Familie und ich auch nicht, natürlich habe ich einen Papa, aber ich habe keine Mama.

Damit will ich sagen, ich hatte eine, aber ich weiss nicht, wo sie ist, sie verliess uns, als ich drei Jahre alt war, so erinnere ich mich kaum mehr an sie. Ich wette, dass du dich auch kaum an deine Mutter erinnern kannst, also sind wir quasi verwaist.“

Winn-Dixie blickte mir in die Augen, als wollte er mir sagen, dass er mich verstand.

Weiter sagte ich ihm, dass ich keine Freunde hätte, dass ich alle meine Freunde am alten Ort in Watley im Norden Floridas hate zurücklassen müssen.

„Kennst du diesen Teil von Florida?“ Winn-Dixie schaute zu Boden , als ob er versuchte sich zu erinnern, ob er den Ort kannte.

„Weißt du was?“ sagte ich ,seit wir hierher gezogen sind, denke ich immerzu an meine Mama, ganz ganz fest.“

Winn-Dixie gelang es, die Ohren zu bewegen und gleichzeitig die Augenbrauen hochzuziehen.

„Weißt du, der Pastor denkt auch die ganze Zeit an Mama. Er hat sie immer noch lieb, ich weiss es, weil ich gelegentlich hörte, wie die Frauen in Watley beim Kirchgang über sie sprachen. Sie sagten, dass auch sie hofften, dass sie eines Tages wieder zurückkehren würde.

Aber er redet nie mit mir darüber, er spricht nie über sie, ich möchte hingegen alles von ihr wissen, habe jedoch Angst, den Pastor zu fragen, habe Angst, dass er mich dann nicht mehr lieb hätte.“

Winn-Dixie blickte mich ganz fest an, als ob er mir etwas sagen wollte.

„Was denkst du?“ fragte ich ihn. Dabei starrte er mich ungeduldig an und jaulte.

„Du denkst also, dass du etwas unternehmen könntest, damit der Pastor mir etwas von meiner Mama erzählen würde?“

Winn-Dixie schaute mich an und nieste ein paar Mal.

„So, jetzt siehst du aber ganz passabel aus, viel besser als vorher. Klar, die kahlen Stellen sind noch da, aber das Fell glänzt schön. Auch die Rippen kann man noch zählen, doch ich werde dir gut und genug zu essen geben.“

Und trotzdem konnte man gegen seine kaputten gelben Zähne nichts machen, denn er bekam jedes Mal Niesanfälle, wenn ich versuchte ihm die Zähne mit meiner Zahnbürste zu putzen, darum gab ich es auf.

Aber alles in allem sah er so viel besser aus, dass ich ihn in den Wohnwagen nehmen und dem Pastor vorführen konnte.

„Papa,“ sagte ich.

„Hmmm,“ antwortete er.

Er war am Vorbereiten einer Predigt und mir schien, als ob er mit sich selbst sprach.

„Papa, kann ich dir meinen neuen Hund zeigen?“

Der Pastor legte den Kugelschreiber hin, rieb seine Nase und schaute hoch.

„Gut!“ sagte er und lächelte, während er Winn-Dixie anschaute.

„Das ist ja wunderbar, wie gut du aussiehst!“

Winn-Dixie erwiderte das Lächeln des Pastors, ging auf ihn zu und legte den Kopf in seinen Schoss.

„Jetzt riechst du aber sehr gut!“ sagte der Pastor, kraulte seinen Kopf und sah ihm in die Auen.

„Papa,“ sagte ich schnell, bevor mich mein Mut verlassen würde, „ich habe mit Winn-Dixie gesprochen!“

„Wirklich?“ sagte der Pastor, während er immer noch den Kopf kraulte.

„Ich habe ihm gesagt, mit meinen zehn Jahren wäre ich jetzt alt genug, um etwas über meine Mama zu erfahren.

Erzähle mir nur zehn Dinge von ihr, das würde mir genügen.

Der Pastor hörte mit dem Kraulen auf und wurde ganz still.

„Etwas für jedes Jahr meines Lebens bitte!“

Winn-Dixie schaute den Pastor an und gab ihm einen Schubs mit der Schnauze.

Der Pastor seufzte und sagte zu Winn-Dixie: „Ich hätte es mir denken können, dass du Probleme machen würdest.“

Er schaute mich an, dann den Hund und sagte zu mir,“ also komm Opal, setzt dich zu mir und ich erzähle dir zehn Sachen von deiner Mama.“


4. Kapitel

Wir sassen alle zusammen auf dem Sofa, zwischen uns lag langgestreckt Winn-Dixie und starrte den Pastor aufmerksam an, als wollte er nichts verpassen.

„Erstens, deine Mama war immer fröhlich, sie schaffte es immer, irgend jemanden zum Lachen zu bringen.“

„Zweitens,“ fügte er hinzu, „sie hatte Sommersprossen und rote Haare.“

„Genau wie ich,“ sagte ich.

“Genau wie du,“ erwiderte der Pastor.

„Drittens, sie liebte es, allerlei anzupflanzen, sie hatte grosses Talent dazu, wenn sie ein Rad gepflanzt hätte, wäre ein Auto gewachsen.

Winn-Dixie fing an, geräuschvoll an einer Pfote zu knabbern, ich gab ihm einen Klaps, damit er aufhörte.

„Viertens,“ fuhr der Pastor weiter, „sie liebte es zu joggen, wenn man mit ihr ein Rennen machte, gewann sie immer.“

„Genau so bin ich auch Papa,“ sagte ich, „in unserem Dorf in Wathley hatte ich einmal ein Rennen mit Liam gemacht, ich gewann haushoch, er stritt es aber ab, darauf sagte ich ihm, er sei ein schlechter Verlierer und obendrein ein Leugner.“

Der Pastor schaute mich an, nickte mit dem Kopf und schwieg einige Sekunden.

„Du kannst mir jetzt Nummer fünf erzählen, Papa,“ sagte ich.

„Fünftens,“ erzählte er weiter, „sie konnte nicht kochen, alles verbrannte ihr, sogar das Wasser. Immer passierte etwas, auch wenn sie nur eine Büchse Bohnen aufmachte. Sie konnte auch mit einem Filet nichts anfangen.“

„Sechstens,“ der Pastor nahm sich Zeit seine Nase zu reiben und schaute zur Decke. Winn-Dixie schaute auch zur Decke.

„Sie liebte es, allerlei Geschichten zu hören, sie konnte stundenlang dasitzen und den Leuten zuhören. Sie mochte vor allem lustige Geschichten, die sie zum Lachen brachten.“ Der Pastor machte eine Denkpause und nickte nachdenklich.

„Was ist mit Nummer sieben, Vater?“

„Sie wusste alles über den Sternenhimmel und den Planeten. Sie kannte jeden einzelnen Stern mit seinem Namen.“

„Achtens,“ sagte der Pastor mit geschlossenen Augen.

„Sie hasste es, die Ehefrau eines Pastors zu sein. Sie hielt es kaum mehr aus mit den Betschwestern in der Kirche, diese tuschelten über sie und hatten an ihr immer etwas auszusetzen, wie sie sich kleidete, wie sie sang oder kochte.

Einmal sagte deine Mutter zu mir, sie käme sich vor wie ein Insekt unter dem Mikroskop.“

Winn-Dixie lag zwischen uns, die Schnauze im Schoss des Pastors und den Schwanz in meinem.

„Zehntens,“ sagte der Pastor schnell.

„Neuntens!“ korrigierte ich ihn.

„Sie trank viel, sie trank Bier, Wein und Whisky, sie trank immer mehr und immer länger und konnte kaum mehr damit aufhören und deshalb stritten wir uns oft, deine Mutter und ich.“

„Zehntens,“ fügte er mit einem grossen Seufzer hinzu, „deine Mutter liebt dich ganz fest, sie liebt dich von ganzem Herzen.“

„Warum hat sie mich dann verlassen?“ fragte ich.

„Uns verliess sie,“ sagte er mit leiser Stimme, seinen Kopf eingezogen, wie eine Schildkröte. „Sie packte die Koffer, sie nahm alles mit.“

„Gut,“ sagte ich und sprang mit Winn-Dixie vom Sofa herunter. „Danke, dass du mir alles erzählt hast!“

Ich ging direkt in mein Zimmer und schrieb die zehn Sachen genau so auf, wie es der Pastor mir erzählt hatte.

Ich las es Winn-Dixie mit lauter Stimme vor, damit wir es nie vergessen sollten.


5. Kapitel

Winn-Dixie konnte es nicht ertragen, alleine gelassen zu werden, nicht einmal für kurze Zeit.

Als wir unlängst von der Kirche nach Hause kamen, fanden wir eine grässliche Unordnung vor. Alle Kissen vom Sofa lagen auf dem Boden herum, alle Papierkörbe waren umgestossen und das Papier der WC-Rolle war in der ganzen Wohnung verteilt.

Aus diesem Grund banden wir ihn, als wir wieder einmal kurz fort mussten draussen vor dem Wohnwagen an.

Das war aber auch keine gute Idee, weil er so laut heulte, dass auch der kleine Hund von Frau Detweiller heulte.

Da aber dieser Wohnwagenpark ein Ort der Ruhe war und eigentlich nur ruhige Erwachsene, ruhige Kinder und ruhige Hunde hier sein durften, blieb dem Pastor keine andere Wahl, als ihn eben überall hin mitzunehmen, auch in die Kirche.

Die Kirche Baptista Brazos Abiertos de Naomi war eigentlich gar keine richtige Kirche, dieses alte Gebäude war früher einmal ein Esswarengeschäft gewesen.

Es hatte keine Bänke und keine Stühle, die Gläubigen mussten ihre eigenen Taburetten oder Kappstühle mitnehmen, es schien, als ob sie zu einer Grillpartie oder sonst zu einer Veranstaltung gingen, und nicht in eine Kirche.

Diese Kirche war so speziell, eben nicht wie eine normale Kirche, dass ich fand, Winn-Dixie ganz gut mit hinein nehmen zu können.

Aber als er aber das erste Mal mitkommen durfte, meinte der Pastor, dass wir ihn ganz nah bei der Eingangstüre anbinden könnten.

„Müssen wir ihn wirklich draussen lassen?“ fragte ich den Pastor. „Ja, natürlich, Hunde gehören nicht in eine Kirche, und was würden die Leute dazu sagen!“

Aber Winn-Dixie draussen zu lassen, war keine gute Idee:

Der Gottesdienst begann, die Leute beteten, sangen religiöse Lieder und der Pastor begann mit seiner Predigt.

Er hatte noch nicht viele Worte verkündet, als man ein ganz schreckliches Geheul hörte.

Der Pastor versuchte es zu ignorieren, aber es wurde immer schlimmer,

„Auuuurrr, aurrrrr, auuuurrrrrr!“ winselte Winn-Dixie vor der Kirchentür.

„Bitte “ rief der Pastor.

„Aurrrrrrr, auuuurrrrr, auuuuuurrrrrrr!“ winselte er noch erbärmlicher.

„Meine Freunde,“ versuchte der Pfarrer weiter zu predigen.

„Arrruuuuuippppp!“ heulte er nun jämmerlich.

Die Leute rutschten auf ihren Stühlen unruhig hin und her und schauten sich gegenseitig an.

„Opal!“ sagte der Pastor mit scharfem Ton.

„Ja!“ rief ich.

„Schau zu diesem Hund!“

Ich ging hinaus, band Winn-Dixie los und nahm ihn mit in die Kirche.

Er setzte sich ganz nah zu mir, hob den Kopf und lächelte den Pastor an, welcher nicht ganz vermeiden konnte, ein kleines Lächeln zu erwidern.

So begann der Pastor mit der Predigt von Neuem.

Winn-Dixie hörte aufmerksam zu, bewegte seine Ohren von einer Seite zur anderen, um ja kein Wort zu verpassen. Und alles wäre wunderbar gewesen, wenn nicht jene Ratte kreuz und quer auf dem Fussboden herum gelaufen wäre.

In der Kirche hatte es Ratten, die kamen noch von der Zeit, als dieses Gebäude früher ein Esswarengeschäft war, noch immer lagen kleine Reste von trockenen Brotkrumen und anderen Esswaren herum.

Der Pastor überlegte es sich oft, diesbezüglich etwas zu unternehmen, aber er liess es dann, weil er in Wahrheit keinem Lebewesen etwas zuleide tun konnte, nicht einmal einer Ratte.

Als Winn-Dixie diese Ratte bemerkte, wie sie in der Kirche herumirrte, spannte er alle seine Muskeln und setzte zum Sprung an.

Alles war so feierlich und ruhig, der Pastor predigte und predigte und plötzlich schoss Winn-Dixie wie ein Gewehrgeschoss in der ganzen Kirche herum. Er bellte wie wild, schlidderte über den Fussboden und packte die Ratte schliesslich am Schwanz.

Die Leute schrien und kreischten als sie dem Spektakel zusahen.

„Nie in meinem Leben hatte ich einen Hund eine Ratte fangen sehen!“ sagte Frau Nordley, welche an meiner Seite sass.

„Es ist eben ein spezieller Hund“ erwiderte ich.

„Das kann man wohl sagen,“ fügte sie hinzu.

Winn-Dixie setzte sich vor die Leute mitten auf den Fussboden, wedelte mit dem Schwanz und hielt die Ratte mit seinen Zähnen ganz vorsichtig, ohne zuzubeissen, aber so, dass sie nicht mehr entwischen konnte.

„Es macht mir den Anschein, als ob dieser Köter etwas von einem Jagdhund haben könnte,“ sagte jemand hinter mir.

„Dieser Hund ist ja ein richtiger Champion!“ sagte ein anderer.

Winn-Dixie trottet auf den Pastor zu mit dem Schwanz der Ratte zwischen seinen Vorderzähnen und liess sie ganz vorsichtig vor seine Füsse sinken.

Als die Ratte ihren ersten Schock überstanden hatte, versuchte sie zu entwischen, aber er legte ganz ruhig seine Vorderpfote auf ihren Schwanz, lächelte zum Pastor und zeigte ihm alle seine Zähne.

Der Pastor blickte auf die Ratte und dann auf Winn-Dixie, schaute mich an und rieb seine Nase.

Es herrschte absolute Ruhe in der Kirche.

Der Pastor packte die Ratte am Schwanz ging zum Ausgang, öffnete die Türe und warf sie hinaus.

Dann kehrte er in die Kirche zurück und forderte die Leute auf, jeder für sich zu beten.

Ich bat Gott, er soll meiner Mama sagen, dass es sie sicher gefreut hätte, wenn sie gesehen hätte, wie Winn-Dixie hinter der Ratte her gewesen war, wie er sie fing und mit den Zähnen hielt ohne sie zu beissen. Das hätte sie sicher zum Lachen gebracht.

Ich betete auch zu Gott, dass er es vielleicht möglich machen könnte, dass ich ihr eines Tages diese Geschichte vielleicht selbst erzählen könnte.

Und dann erzählte ich Gott noch, wie einsam ich mich fühlte, hier in Naomi, da ich nicht viele Kinder kannte, nur die, die in die Kirche gingen, Dunlap und Stevie Dewberry, zwei Brüder, die, obwohl sie keine Zwillinge waren einander doch ähnlich waren. Und dann würde ich noch Amanda Wilkinson kennen, welche immer die Stirne runzelte, als ob sie ständig etwas Abscheuliches roch, dann noch Pastelita Thomas, aber die sei erst fünf Jahre alt.

Und niemand von diesen Kindern hätte mein Freund sein wollen, weil sie möglicherweise dachten, dass ich alle kleinen Dummheiten, die sie begingen, sofort meinem Vater, dem Pastor erzählen würde, sodass sie nicht nur Probleme mit Gott, sondern auch noch mit ihren Eltern bekämen.

Das alles sagte ich Gott, damit er wüsste, wie einsam ich mich hier zusammen mit Winn-Dixie fühlte.

Zum Schluss dankte ich Gott noch dafür, dass die Ratte nicht gestorben war, als sie zwischen den Zähnen von Winn-Dixie eingeklemmt gewesen war und dass sie der Pastor wieder in die Freiheit gelassen hatte.


6. Kapitel

Ich verbrachte viel Zeit in der Bibliothek von Franny Block, richtig hiess sie, „Bibliothek, zum Andenken an Hermann W. Block“ und es machte den Anschein, als wäre es eine grossartige Bibliothek, aber in Wirklichkeit war es nur ein kleines, altes Häuschen vollgestopft mit Büchern, welche Franny Block hütete.

Franny Block war ein altes, kleines Fräulein, hatte kurze graue Haare und sie war die erste Freundin, die ich hier in Naomi hatte.

Die Geschichte begann folgendermassen.

Eines Tages wollte ich in diese Bibliothek von Franny Block. Winn-Dixie musste draussen bleiben, weil Hunde nicht in eine Bibliothek durften.

Darum zeigte ich ihm, wie er mich trotzdem sehen konnte. Ich nahm seine Vorderpfoten und stellte sie auf den Fenstersims, so konnte er mich durch das Schaufenster im innern des Ladens sehen.

Ich war gerade am Aussuchen von Büchern, als ich einen grässlichen Schrei hörte. Ich eilte zu der Stelle, wo ich den Schrei gehört hatte und sah Franny Block am Boden neben ihrem Tisch sitzen.

„Fräulein Franny, geht es Ihnen gut?“ fragte ich sie erschrocken.

„Ein Bär!“ sagte sie.

„Ein Bär?“ fragte ich.

„Er ist zurückgekommen“, sagte sie.

„Zurückgekommen?“ fragte ich zurück.

„Wo ist er denn?“

„Da draussen und zeigte mit dem Finger zum Fenster, wo Winn-Dixie durch das Schaufenster blickte.

„Fräulein Franny, das ist kein Bär, das ist mein Hund Winn-Dixie.“

„Bist du sicher?“ fragte sie

„Ja, ganz sicher“ antwortete ich, „den würde ich überall wieder erkennen.“

Fräulein Franny erhob sich keuchend und zitternd.

„Kommen Sie,“ sagte ich, „ich helfe Ihnen wieder auf die Füsse, es ist nichts passiert.“

Ich gab ihr eine Hand, damit sie sich an mir festhalten konnte und zog sie mit einem Ruck hoch, sie war ganz leicht, sie wog fast gar nichts.

Sie schämte sich ein wenig, und sagte: “ Du musst mich ja für eine dumme alte Frau halten, die nicht einmal einen Bären von einem Hund unterscheiden kann. Aber vor vielen Jahren habe ich tatsächlich erlebt, wie ein Bär in meine Bibliothek eingetrampelt kam, und das habe ich nie wieder vergessen können.“

„Was passierte da?“ fragte ich.

„Ach, es ist eine sehr lange Geschichte.

„Ah, schön,“ sagte ich, „ich liebe lange Geschichten, genau wie meine Mutter.

„Aber bevor Sie zu erzählen beginnen, möchte ich noch fragen, ob mein Hund Winn-Dixie hineinkommen darf, er hört auch gerne zu und er fühlt sich einsam ohne mich.“

„Ich weiss nicht, was ich sagen soll, normalerweise dürfen Hunde nicht in eine Bibliothek,“ meinte Franny Block.

„Er benimmt sich ganz anständig, er geht auch in die Kirche,“ sagte ich.

Und bevor sie ja oder nein sagen konnte, ging ich zu ihm, band ihn los und trat mit ihm ein. Er liess sich mit einem langen zufriedenen „huuuuummpf“ neben Franny Block auf den Boden nieder.

Fräulein Franny schaute auf ihn herab und sagte: „er ist wirklich ein grosser Hund.“

„Ja,“ antwortete ich, „und er hat auch ein grosses Herz.“

„Gut,“ sagte Franny Block, beugte sich zu ihm hinunter und tätschelte ihn auf den Kopf, Winn-Dixie wedelte mit dem Schwanz und schnüffelte an ihren kleinen Füssen, dann sagte sie: „Ich setze mich auf den Stuhl, um euch die Geschichte zu erzählen“.


7. Kapitel

Und so begann Fräulein Franny mit der Geschichte:

„Vor vielen Jahren, bestand Florida nur aus Natur und Palmen und die Mücken waren so gross, dass du mit ihnen hättest mitfliegen können, wenn sie dich festgehalten hätten.“

„Also, ich war ein kleines Mädchen, nicht grösser als du jetzt bist, als mein Vater Hermann Block zu mir sagte, dass er mir zum Geburtstag alles schenken würde, was immer ich mir auch wünschte. Es könne irgend etwas sein, irgend etwas.“

Fräulein Franny liess ihren Blick in der Bibliothek herumschweifen, beugte sich zu mir und sagte:

„Ich möchte nicht prahlerisch sein, aber mein Vater war ein sehr reicher Mann, und wie reich!“ Sie nickte mehrmals mit dem Kopf und lehnte sich zurück.

„Ich war ein kleines Mädchen, welches gerne las, also sagte ich zu meinem Vater: „Papi, das was mir am meisten gefallen täte auf dieser Welt, wäre eine Bibliothek, eine kleine herzige Bibliothek.“

„Sie wünschten sich eine Bibliothek?“ fragte ich.

„Eine kleine ja, das, was ich wollte, war ein kleines Häuschen voll mit Büchern, nur Bücher.“

„Mein Wunsch ging in Erfüllung, mein Vater baute mir dieses Häuschen, in dem wir jetzt sitzen, und noch ganz jung wurde ich Bibliothekarin.“

„Und was war mit dem Bären?“ fragte ich ungeduldig.

„Ich sagte dir schon, dass Florida damals noch unberührt und wild war. Die Frauen waren wild die Männer waren wild und die Tiere waren wild.“

„Also, eines Tages, an einem Donnerstag, es war sehr heiss, da sass ich in meiner Bibliothek, alle Fenster und Türen waren offen, die Nase in ein Buch gesteckt, als ein grosser Schatten über meinen Tisch zog.

Ohne hoch zu blicken fragte ich: Wünschen Sie, dass ich Ihnen helfe ein Buch auszusuchen? aber niemand antwortete mir.

Ich dachte, dass es ein scheuer Mann oder eine scheue Frau sein könnte, welche eingeschüchtert ob der vielen Bücher und darum unfähig waren, etwas zu sagen. Dann aber zog ein eigenartiger, starker Geruch an meiner Nase vorbei. Langsam blickte ich hoch und neben mir stand ein Bär.

Ja, es war ein grosser Bär! sagte sie nachdenklich.

„Wie gross?“ fragte ich.

„Oh, sagte Fräulein Franny „er war drei oder vier mal grösser als dein Hund.“

„Und was geschah dann?“ fragte ich sie ungeduldig.

„Gut, er sah mich an, ich sah ihn an, dann streckte er seine Nase in die Luft, schnüffelte und schnüffelte, als ob er sich entscheiden müsste, ob er nun eine junge Bibliothekarin fressen wollte.

Ich überlegte also, was ich tun sollte. Falls dieser Bär mich fressen wollte, würde ich es ihm nicht gestatten. Ich würde ihn vorher töten.

Also hob ich das Buch, in dem ich eben noch las ganz langsam in die Höhe und....“

„Was für ein Buch war es?“ fragte ich dazwischen.

„Schau, dieses, „Krieg und Frieden,“ ein dickes Buch.“

Ich stürzte mich auf den Bären los und schrie, so laut ich konnte: „...Verschwinde...!“

„Und weißt du, was dann passiert war?“ sagte Fräulein Franny.

„Nein“, antwortete ich.

„Nun, er ging, aber es gibt da etwas, das ich nie mehr vergessen werde. Er nahm das Buch mit.“

„Neeein!“ rief ich.

„Ja, doch,“ antwortete Fräulein Block.

„Kam er zurück?“ fragte ich.

„Nein, er kam nie mehr wieder.“

„Noch heute lachen mich die Leute aus wegen dieser Geschichte.

Wenn sie mich sehen, sagen sie, Fräulein Franny, heute haben wir den Bären im Wald gesehen, er war am Lesen ihres Buches, er sagte, dass es sehr gut sei und ob er es noch eine Woche länger ausleihen dürfe.“

„Ja, sie ärgern mich immer noch damit,“ sagte Franny Block traurig.

Sie seufzte und fügte hinzu: „Ich vermute, dass ich noch die einzige Lebende bin, die sich an diese wilden Zeiten in Florida und an die Bärengeschichte erinnern kann, denn alle meine Jugendfreunde sind schon tot.“

Sie seufzte noch einmal und sah plötzlich so traurig und so alt und so grau und so runzlig aus.

Sie musste sich fühlen, wie ich mich oft fühlte hier in diesem Dorf, ohne Freunde und ohne Mama, die mich tröstet.

Auch ich musste seufzen.

Winn-Dixie, der die ganze Zeit auf dem Fussboden gelegen war, den Kopf auf seinen Vorderpfoten, erhob sich, schaute eine nach der anderen an, lächelte und zeigte Fräulein Franny Block die Zähne.

„Schau, dieser Hund lächelt mich an!“ sagte Franny Block.

„Er ist ein Talent im Lächeln!“ erwiderte ich.

„Das ist wirklich ein wunderbares Talent,“meinte Fräulein Franny und gab ihm das Lächeln zurück.

„Könnten wir Freunde sein?“ fragte ich, „das heisst, Sie und ich und Winn-Dixie?“

„Ja, das wäre wunderbar“ und Fräulein Frannys Lächeln wurde immer breiter und breiter.

Gerade in diesem Moment, als wir drei beschlossen hatten, Freunde zu sein,

platzte Amanda Wilkinson, die mit den Stirnrunzeln, herein.

Sie lief geradewegs auf Fräulein Franny zu und sagte:

„Ich habe „Johnny Tremain“ fertig gelesen, es hat mir sehr gut gefallen. Jetzt möchte ich aber etwas Schwierigeres, denn ich bin eine fortgeschrittene Leserin!“

„Ja, Liebe, ich weiss es schon.“ sagte Franny Block.

Amanda verhielt sich so, als ob ich nicht da wäre, sie ging an mir vorbei, ohne mich anzusehen und sagte ziemlich arrogant. Haben jetzt Hunde Eintritt in die Bibliothek Fräulein Franny?“

„Einige schon,“ sagte Fräulein Block, „eine kleine ausgewählte Gruppe,“ und blinzelte mir mit einem Auge zu.

Ich erwiderte diese Gestik mit einem stolzen Lächeln.

Soeben hatte ich die erste Freundschaft geschlossen, hier in Naomi, und niemand wird sie mir verderben, schon gar nicht Amanda Wilkinson, die mit den Stirnrunzeln.


8. Kapitel

Winn- Dixi sah blendend aus. Die Haare an seinen kahlen Stellen fingen wieder an zu wachsen und er hinkte nicht mehr. Es machte mir den Anschein, als ob er stolz auf sich wäre, nicht mehr mit einem Strassenköter verglichen zu werden.

Ich begriff bald, dass es notwendig war, ihm ein Halsband und eine Leine zu kaufen. Also ging ich in die Tierhandlung „Gertrudis,“ wo es Fische, Schlangen, Ratten, Eidechsen und Meerschweinchen gab und jede Art von Zubehör und Tierfutter.

Ich fand ein schönes, kostbares Halsband aus rotem Leder und die passende Leine dazu.

Winn-Dixie durfte nicht eintreten, weil ein grosses Schild an der Türe hing mit dem Hinweis, „ZUTRITT FÜR HUNDE VERBOTEN“ hing. Also konnte ich ihm das Halsband und die Leine nur durch das Schaufenster zeigen.

Winn-Dixie hob die obere Lippe hoch, zeigte mir alle seine Zähne, nieste und wedelte mit dem Schwanz, als wollte er mir sagen dass ihm die Sachen sehr gut gefielen.

Die Sachen waren tatsächlich schön, aber viel zu teuer, deshalb beschloss ich, mit dem Mann hinter dem Ladentisch meine finanzielle Situation zu schildern. Ich sagte zu ihm, dass ich nicht genug Geld hätte, um diese schönen Sachen zu kaufen, dass aber mir und meinem Hund das rote Halsband und die rote Leine so gut gefielen, dass er mir einen Finanzierungsplan vorschlagen möchte.

„Einen Finanzierungsplan?“ fragte der Mann.

„Gertrudis!“ krächzte jemand hinter mir. Ich schaute mich um und sah einen Papagei, der auf einem Fischaquarium sass und mich anstarrte.

„Ja, einen Finanzierungsplan,“ sagte ich, ohne den Papagei zu achten. „Ich verspreche Ihnen, jede Woche eine Geldanweisung zu machen. Geben Sie mir nun das Halsband und die Leine?“ „Ich glaube nicht, dass ich das machen kann,“ antwortete der Mann hinter dem Ladentisch und fügte noch hinzu: „Das würde die Eigentümerin des Ladens nie gestatten.“ Er senkte dabei den Kopf, damit er mich nicht ansehen musste.

Er hatte dichtes und schwarzes Haar mit viel Brillantine wie Elvis Presley. Sein Name war OTIS, ich las es auf seinem Namensschild, das er an seinem Hemd trug.

„Oder könnte ich für Sie arbeiten?“,fragte ich ihn. „Ich könnte Staub wischen, den Boden fegen und den Kehricht heraustragen, das kann ich alles sehr gut.“ Ich sah auf den ersten Blick, dass eine gründliche Reinigung gut tun würde. Alles war verstaubt, der Boden war voll Sand und Saamenhülsen und überall lag Flaum herum.

„Gertrudis!“ kreischte wieder der kleine Papagei.

„Ich bin total zuverlässig“, sagte ich noch. „Ich bin neu in diesem Dorf, mein Vater ist Pastor. Er predigt in der Kirche Baptista Brazos Abiertos hier in Naomi. Also ich bin sicher ehrlich. Das Einzige, was ich noch abklären muss, ist, ob ich meinen Hund Winn-Dixie auch in den Laden hinein nehmen darf , denn wenn man ihn lange alleine draussen lässt, fängt er an zu heulen und zwar ganz fürchterlich.“

„Gertrudis der Papagei mag keine Hunde,“ sagte Otis schroff.

„Ist Gertrudis die Eigentümerin dieser Tierhandlung?“ fragte ich ihn.

„Ja, das heisst nein, damit will ich sagen, dass dieser Papagei dort auf dem Aquarium zu Ehren der Eigentümerin steht.“

„Gertrudis ist ein sehr schöner Papagei!“ kreischte Gertrudis.

„Vielleicht mag er Winn-Dixie, die ganze Welt mag ihn“ ,sagte ich ihm.

„Vielleicht,“ murmelte Otis und senkte den Blick wieder unter den Ladentisch.

Also ging ich zur Türe und rief „Winn-Dixie,“ darauf trottete er langsam in den Laden herein.

„HUND!“ krächzte Gertrudis.

„Ich wusste es,“ sagte Otis.

Aber dann war Gertrudis augenblicklich still. Er sass auf dem höchsten Punkt des Aquariums und wiegte den Kopf hin und her und schaute Winn-Dixie in die Augen. Dieser erwiderte den Blick, ohne sich zu bewegen.

Er bewegte weder den Schwanz noch nieste oder lächelte er. Sie schauten sich nur gegenseitig an.

Und dann breitete Gertrudis seine Flügel auf, wie er sie noch ausgebreitet hatte, majestätisch könnte man sagen und flog auf den Kopf von Winn-Dixie.

„Hund!“ zirpte er.

Winn-Dixie bewegte darauf seinen Schwanz ganz sachte.

Als Otis dies beobachtet hatte, sagte er zu mir: „Du kannst am Montag anfangen!“

„Danke,“ sagte ich, “Sie werden es nicht bereuen.“

Als wir die Tierhandlung verlassen hatten, sagte ich zu Winn-Dixie: „Niemand ausser mir hat einen besseren Freund, als du es bist, wetten dass dies auch meine Mutter gesagt hätte, wenn sie dich gekannt hätte.“

Winn-Dixie lächelte mich an und ich lächelte zurück, keiner von uns beiden achtete darauf, wo wir hintraten, denn beinahe wären wir mit Pastelita Thomas zusammengestossen. Das kleine Mädchen stand da nuggelte an einem Finger und schaute in das Schaufenster der Tierhandlung Gertrudis. Als sie mich sah, nahm sie den Finger heraus und sagte: „Der Papagei sass auf dem Kopf des Hundes.“

Sie hatte ihren Rossschwanz mit einem rosa Haarband zusammengebunden.

Es war nicht wirklich ein richtiger Rossschwanz, sondern eher ein paar Strähnen, die mit einem rosaroten Band zusammengebunden waren.

„Ja, das ist wahr, er sass auf dem Kopf von Winn-Dixie,“ antwortete ich.

„Ich habe es gesehen,“ sagte sie noch einmal kopfnickend und nahm den Finger wieder in den Mund, zog ihn aber schnell wieder hinaus und fügte hinzu: „Ich habe diesen Hund auch in der Kirche gesehen. Er jagte einer Ratte nach. Ich möchte auch so einen Hund haben, aber meine Mama erlaubt es mir nicht. Sie sagte, wenn ich brav wäre, ganz brav, dann könnte ich mir vielleicht ein Meerschweinchen oder einen Fisch wünschen. Das sagte sie. „Kann ich deinen Hund ein wenig streicheln?“ „Klar!“ antwortete ich.

Pastelita streichelte den Kopf so lange und mit einer Inbrunst, bis ihm die Augen zufielen und ihm der Speichel vor lauter Wohltat aus dem Maul floss.

Pastelita sagte dann: „Ich habe Geburtstag im September und werde sechs Jahre alt. Und wenn ich sechs Jahre alt bin höre ich auf zu Nuggeln. Ich werde ein Fest veranstalten, möchtest du auch an mein Fest kommen? Das Thema ist „Rosa,“ das heisst, dass alle etwas in der Farbe Rosa anziehen oder mitbringen müssen.

„Abgemacht,“ antwortete ich.

„Darf Winn-Dixie auch mitkommen?“ fragte ich. „Natürlich“ antwortete sie.

Und auf einmal fühlte ich mich glücklich. Ich hatte einen Hund. Ich hatte Arbeit. Franny Block war meine Freundin. Und eben bekam ich die erste Einladung zu einem Fest in Naomi.

Es störte mich nicht, dass ich von einem Mädchen das erst fünf Jahre alt war eingeladen wurde und dass das Fest erst im September war. Ich fühlte mich nicht mehr allein.


9. Kapitel

Alles, was mir diesen Sommer passierte, geschah wegen Winn-Dixie.

Ohne ihn hätte ich zum Beispiel Gloria Dump nie kennen gelernt.

Er war derjenige, der sie uns vorstellte.

Nach einem Besuch in der Tierhandlung Gertrudis kehrte ich mit dem Velo nach Hause zurück, während Winn-Dixie an meiner Seite mitrannte.

Wir kamen am Haus von Dunlap und Stevie Dewberry vorbei. Als sie mich sahen, nahmen sie ihr Velo und verfolgten mich.

Natürlich konnten sie mich einholen, sie umkreisten mich von hinten und riefen mir Sachen zu, die ich nicht verstand.

Beide hatten kein einziges Haar auf dem Kopf, weil ihnen ihre Mutter den ganzen Sommer hindurch jede Woche die Köpfe rasierte, da Dunlap einmal Flöhe von seiner Katze „Sadie“ eingefangen hatte. Und jetzt waren sie wie glatzköpfige Zwillinge, obwohl sie keine waren.

Dunlap war 10 Jahre alt wie ich und Stevie neun, obwohl er gross war für sein Alter.

„Ich kann euch hören!“ rief ich ihnen zu, „ich kann hören, was ihr sagt!“

Aber ich konnte gar nichts hören, weil Winn-Dixie vor mir ganz schnell davon rannte. „Pass auf!“ schrie Dunlap, „dieser Hund rennt geradewegs auf das Haus der Hexe zu!“

„Winn-Dixie!“ schrie ich, aber er rannte immer schneller und sprang schliesslich mit einem Satz über den Gartenzaun in einen Innenhof, der belaubt war und so ungepflegt, wie ich es noch nie gesehen hatte.

„Falls du wissen willst, was ich dir rate, dann pack deinen Hund und verschwinde von dort!“ sagte Dunlap.

„Schweigt endlich!“ schrie ich ihnen zu, stieg von meinem Velo hinunter, ging zum Gartentor und rief: „Winn-Dixie, komm sofort hier her!“

Aber er gehorchte mir nicht.

„Möglicherweise isst sie ihn jetzt gerade auf,“ sagte Stevie, dabei standen sie direkt hinter mir. „Sie isst ständig Hunde!“ sagten sie.

„Macht, dass ihr fortkommt, ihr glatzköpfigen Bebes!“ rief ich ihnen zu. „Hör mal,“ sagte Dunlap, „sprechen Mädchen von Pastoren immer so böse?“ und trat dabei ein wenig zurück.

Ich stand noch ein wenig da und dachte darüber nach, aber meine Angst, Winn-Dixie zu verlieren war zu gross, darum entschloss mich, durch das Gartentor einzutreten um nach ihm zu suchen.

„Die Hexe wird deinen Hund zum Abendessen verschlingen und dich zum Dessert,“ sagte Steve. „Wir werden alles dem Pastor erzählen, deinem Vater.“ sagte Dunlap.

Ich war aber bereits eingedrungen in den Dschungel. Es wuchs allerlei Verschiedenes, Pflanzen, Blumen, Gemüse, Reben, Sträucher und hohe Bäume standen da. „Winn-Dixie?“ rief ich leise.

„Je, je, je,“ vernahm ich von irgendwo, ich ging um einen riesengrossen Baum herum, welcher voll mit Moos bedeckt war, da lag Winn-Dixie und ass etwas aus der Hand dieser Hexe. Sie hob den Kopf, schaute mich an und sagte: „Dieser Hund liebt Erdnussbutter,“ und sagte weiter: „du kannst einem Hund vertrauen, der Erdnussbutter mag.“

Sie war sehr alt, ihre Haut war braun und runzlig. Sie trug einen grossen Sonnenhut, voll mit Blumen und hatte keinen einzigen Zahn mehr, aber sie glich nicht einer Hexe. Sie schien mir irgendwie sympathisch. Und Winn-Dixie gefiel sie auch, das war klar. „Es tut mir leid, dass ich in Ihren Garten getreten bin,“ sagte ich. „Du musst dich nicht entschuldigen,“ sagte sie, „ich liebe es, Besuch zu haben.“

„Ich heisse Opal,“ sagte ich dann. „Und ich heisse Gloria Dump,“ sagte sie.

„Mein Nachnahme ist Buloni,“ fügte ich hinzu, „aber meine Kameraden vom Internat in Watley riefen mich nur Bolonesa.“

„Ja,“ lachte Frau Dump, „und dieser Hund, wie heisst er?“ „Winn-Dixie,“ antwortete ich. Winn-Dixie schlug mit seinem Schwanz vor Freude auf den Boden und versuchte zu lächeln, aber es war nicht einfach mit einem Maul voll Erdnussbutter zu lächeln.

„Winn-Dixie?“ fragte Gloria Dump. „Gleich wie der Supermarkt?“

„Ja,“ antwortete ich.

„Wauuu,“ fügte sie hinzu, „dieser Name bekäme einen Preis für seltene Hundenamen, nicht?“

„Ja,“ antwortete ich.

Sie war gerade im Begriff, ein Erdnussbutterbrötchen zu machen und fragte: „Möchtest du auch eines?“

„Gerne, das freut mich,“ sagte ich. Dann setzte ich mich ganz vorsichtig und liess mir ein weisses Brötchen, bestrichen mit Erdnussbutter geben. Auch für sich selbst bestrich sie eines und legte sich ihr Gebiss in den Mund. Als sie fertig war mit essen, sagte sie: „Ich habe ganz schlechte Augen, ich kann nur noch die Umrisse von etwas sehen, darum muss ich mich auf mein Herz verlassen. Warum erzählst du mir nicht etwas von dir, damit ich dich mit meinem Herzen sehen kann?“

Und weil Winn-Dixie sie anschaute, als wäre sie die schönste Frau, die er je gesehen hatte, und weil das Erdnussbuttersandwich das Beste war, das er je gegessen hatte, und weil ich immer gehofft hatte, dass ich eines Tages jemandem alles über mich erzählen könnte, so erzählte ich ihr von mir.


10. Kapitel

Ich erzählte Gloria Dump alles von mir. Ich erzählte ihr, wie wir, der Pastor und ich, nach Naomi gezügelt hatten, und wie ich alle meine Freunde am alten Ort hatte zurücklassen müssen.

Ich erzählte, wie es Mama ergangen war und erzählte die zehn Sachen, die ich von ihr wusste.

Ich erzählte ihr, wie sehr viel mehr ich meine Mama hier in Naomi vermisste als damals in Watley.

Ich erzählte ihr, das der Pastor wie eine Schildkröte sei, die sich die ganze Zeit in ihrem Panzer versteckte.

Ich erzählte ihr, wie ich Winn-Dixie in der Gemüse und Früchteabteilung im Supermarkt kennen gelernt hatte und warum ich durch seine Schuld eine Freundschaft mit Franny Block von der Bibliothek geschlossen hatte und warum es mir gelungen war, dass ich bei Otis in der Tierhandlung Gertrudis arbeiten konnte und warum mich Pastelita Thomas zu ihrem Geburtstagsfest eingeladen hatte.

Ich erzählte ihr auch, warum Dunlap und Stevie Dewberry zu ihr Hexe sagten, aber ich sagte auch, dass es dumme Buben seien, böse und glatzköpfig und dass ich sie überhaupt nicht mochte.

Die ganze Zeit, während ich sprach, hörte mir Gloria Dump aufmerksam zu, sie lächelte dabei, nickte zustimmend mit dem Kopf und runzelte ab und zu die Stirn und sagte nur, “hmmm,“ „oh,“ „wirklich?“.

Ich spürte, dass sie mir mit ihrem ganzen Herzen zuhörte, das tat mir gut.

„Weißt du was?“ fragte sie als ich fertig war.

„Was?“

„Es kann sein, dass du sehr viel von deiner Mutter hast, deine roten Haare, deine Sommersprossen, und du rennst viel.“

„Wirklich?“ fragte ich.

„Nun, vielleicht hast du einen grünen Daumen und bist eine gute Gärtnerin. Komm wir wollen etwas pflanzen und sehen, ob es wächst.“

„Einverstanden!“ sagte ich.

Das, was Gloria Dump auswählte, um meinen grünen Finger auf die Probe zu stellen, war ein Baum. Es waren Samen für einen Baum.

Ich hackte in die Erde ein grosses Loch, streute die Samen hinein und deckte sie mit Erde zu, wie wenn es ein Kleinkind wäre das ich zudecken musste.

„Was für eine Baumart ist es?“ fragte ich Gloria.

„Es ist der Baum der Geduld und der Wahrheit.“ antwortete sie.

„Das bedeutet, dass du Geduld haben musst, um herauszufinden, was es wird.“

„Kann ich morgen wieder kommen um nachzusehen?“ fragte ich.

„Mädchen,“ sagte sie, „solange dies mein Garten ist, bist du immer willkommen.“

„Ich möchte aber auch Sie sehen,“ sagte ich.

„Hmmm“ sagte Gloria Dump, „ich gehe nirgendwohin, ich werde immer da sein.“

Winn-Dixie wurde wach, an seiner Schnauze klebte noch Erdnussbutter. Er streckte und reckte sich und gähnte dazu.

Bevor wir gingen, leckte er noch die Hand von Gloria Dump und ich bedankte mich bei ihr.

In dieser Nacht, als mich der Pastor zudeckte, erzählte ich ihm, warum ich Arbeit in der Tierhandlung Gertrudis bekommen hatte und wie es zu der Freundschaft mit Franny Block gekommen war und warum mich Pastelita zu ihrem Geburtstagsfest eingeladen hatte und ich erzählte ihm auch, wie ich Gloria Dump kennengelernt hatte.

Winn-Dixie sass neben dem Bett und wartete nur darauf, dass der Pastor endlich gehen würde, damit er auf das Bett springen konnte, so wie er es immer gemacht hatte.

Als ich meinem Vater alles erzählt hatte, gab er mir einen Kuss und wünschte mir eine gute Nacht, er bückte sich auch zu Winn-Dixie und gab ihm auch einen Kuss auf den Kopf.

Winn-Dixie schaute zum Pastor hoch und sperrte sein Maul ganz weit auf, es war nicht ein Lächeln, es war ein Lachen, so als ob ihm der Pastor den lustigsten Witz der Welt erzählt hätte.

Das, was mich aber am meisten verblüffte, war, dass auch der Pastor richtig lachte. Er ging aus dem Zimmer und löschte das Licht. Sofort sprang Winn-Dixie auf mein Bett, ich gab ihm auch einen Gute-Nacht-Kuss, aber er merkte es nicht mehr, denn er schlief ganz fest und schnarchte dabei.


11. Kapitel

Diese Nacht gab es ein fürchterliches Gewitter. Mich weckte nicht das Donnern und das Blitzen, sondern Winn-Dixie, welcher mit der Schnauze wie wild an meiner Zimmertüre polterte und dabei jämmerlich wimmerte.

„Winn-Dixie, was hast du?“ fragte ich ihn.

Er beachtete mich nicht und wimmerte weiter. Ich stieg aus dem Bett und versuchte ihn zu beruhigen, ich streichelte ihm über den Kopf, dabei bemerkte ich, dass er stark zitterte. Ich erschrak ein wenig darüber, kniete mich zu ihm hin und umarmte ihn, aber er wollte sich nicht umarmen lassen, er lachte nicht, nieste nicht und wedelte nicht mit dem Schwanz. Alles, was er sonst immer tat, machte er nicht.

„Möchtest du hinaus, soll ich dir die Türe öffnen, ist es das, was du möchtest?“

Als ich ihm die Türe öffnete, sprang er durch den Wohnwagen wie ein Pfeilschuss, als ob ihn etwas Böses, Grosses verfolgte.

„Winn-Dixie!“ flüsterte ich, „komm zurück!“ Ich wollte den Pastor nicht wecken, aber er war schon im anderen Teil des Wohnwagens im Schlafzimmer des Pastors, sprang auf sein Bett und wieder hinunter, wie wild rannte er im Zimmer herum.

„Opal!“ sagte der Pastor, neben seinem Bett stehend, seine Haare waren zersaust und er schaute ganz verstört herum, er wusste nicht was geschehen war.

„Opal, was ist los?“

„Ich weiss es nicht,“ antwortete ich, aber dann donnerte es so heftig, dass alles im Wohnwagen zitterte.

Winn Dixie raste von einem Zimmer zum anderen, ich konnte nur noch rufen: „Pass auf Papa!“ aber schon stiess er mit dem Pastor zusammen und zwar mit voller Wucht. Sie fielen zu Boden und der Pastor lag auf dem keuchenden Hund.

„Oh jeh!“ sagte ich.

„Opal!“ sagte der Pastor noch auf dem Boden liegend. „ja,“ antwortete ich.

„Weißt du, was eine krankhafte Angst ist?“

„Nein“ antwortete ich.

Der Pastor stand auf, rieb seine Nase und fügte hinzu: „Also es ist eine Angst die viel grösser ist als normale Ängste, man kann sie nicht erklären“.

Gerade in diesem Moment krachte es noch einmal so stark, dass Winn-Dixie hoch in die Luft sprang, als ob ihn jemand mit einem glühenden Eisen gestochen hätte. Man konnte ihn nicht festhalten, wir mussten zusehen, wie er umherraste und dabei schrecklich litt.

„Opal,“ sagte der Pastor, „Winn-Dixie leidet unter einer krankhaften Angst vor Donner und Blitz. Aber zum Glück dauert normalerweise so ein Gewitter nicht lange, und Winn-Dixie wird nachher wieder ganz der Alte sein.“.

So war es auch, mit dem letzten Donnergrollen aus weiter Ferne, trottete der Hund auf uns zu, sprang auf das Bett und setzte sich zwischen uns, als ob nichts geschehen wäre.

Ich streichelte ihm über den Kopf und kratzte ihn hinter den Ohren, so wie er es gerne hatte.

Der Pastor sagte dann: „Es gibt viele Gewitter hier im Sommer.“

„Ja,“ erwiderte ich, und hatte Angst, dass er sagen könnte, dass man keinen Hund haben könnte, der bei jedem Gewitter verrückt werden würde vor Angst.

„Wir müssen ihn im Auge behalten,“ sagte der Pastor und legte die Arme um Winn-Dixie, „wir müssen sicher sein, dass er nie draussen ist bei einem Gewitter, sonst könnten wir ihn verlieren. Er soll sich sicher fühlen bei uns.“

„Ja,“ sagte ich, es fiel mir plötzlich schwer zu sprechen.

Ich liebte den Pastor auf einmal ganz fest, weil er Winn-Dixie auch liebte. Ich liebte ihn, weil er Angst hatte Winn-Dixie zu verlieren, aber vor allem, weil er ihn umarmte und sagte, dass wir dafür sorgen müssten, damit er sich bei uns immer sicher fühlte.


12. Kapitel

Heute war mein erster Arbeitstag in der Tierhandlung Gertrudis.

Winn-Dixie und ich machten uns auf den Weg, und weil wir zu früh dort waren, hing noch das Schild „Geschlossen“ an der Türe. Ich drückte leicht gegen die Türe, sie öffnete sich und wir traten ein.

Ich wollte mich gerade bemerkbar machen, damit Otis wusste, dass wir gekommen waren, als ich Musik hörte, die schönste Musik, die ich je gehört hatte in meinem ganzen Leben.

Ich schaute mich um, um zu sehen, woher diese Musik kam, dabei sah ich, dass alle Tiere aus ihren Käfigen hinausgelassen wurden, Hamster Schlangen, Kaninchen, Ratten, Vögel und Eidechsen, alle sassen auf dem Fussboden, als wären sie versteinert. Mitten unter ihnen sass Otis und spielte auf seiner Gitarre und klopfte den Takt mit seinen Cowboystiefeln dazu. Er hatte die Augen geschlossen und lächelte.

Mit verträumtem Blick schaute Winn-Dixie Otis an und lächelte ihm zu. Dann nieste er und legte sich auf den Fussboden zwischen die anderen Tiere.

In diesem Augenblick bemerkte der Papagei Winn-Dixie und krächzte: „Hund!“ Darauf flog er auf ihn zu und setzte sich auf seinen Kopf.

Otis nahm die Situation erschrocken wahr und hörte sofort mit dem Spielen auf. Darauf hüpften und sprangen die Tiere von einer Seite zur anderen. Die Schlange kroch herum, der Papagei flog hin und her, die Eidechse lief davon und Winn-Dixie sprang allen hinterher und bellte dabei.

„Hilf mir Opal,“ rief Otis, „wir müssen die Tiere wieder in ihre Käfige tun!“

Wir rannten von einer Seite zur andern und versuchten sie zu erwischen, Ratten, Hamster, Schlangen und Eidechsen, wir stiessen mit ihnen zusammen und hatten alle Mühe, sie einzufangen während Gertrudis die ganze Zeit kreischte „Hund, Hund!“

Einige, die wir am schnellsten fassen konnten, sperrten wir wieder in ihre Käfige, ohne zu schauen, ob die richtigen Tiere im richtigen Käfig waren.

Und während ich die ganze Zeit hinter den Tieren her war, überlegte ich mir, was Otis eigentlich für ein Wesen war, ob er vielleicht so etwas wie ein Schlangenbeschwörer war, der die Tiere in versteinerte Wesen versetzen konnte, sobald er auf seiner Gitarre spielte. Egal, was er war, ich wollte, dass die Tiere wieder ruhig wurden und rief Otis zu! „Spiel Otis, spiel!“

Otis schaute mich einen Moment lang an, nahm seine Gitarre und fing an zu spielen. In wenigen Sekunden war alles ganz ruhig.

Winn-Dixie legte sich wieder auf den Fussboden, blinzelte mit den Augen, lächelte und nieste ein paar Mal. Die anderen Tiere, einige Ratten, Eidechsen, und Kaninchen, die wir noch nicht fangen konnten, entspannten sich und waren so ruhig, dass ich eines um das andere in ihre Käfige einsperren konnte.

Als Otis mit dem Spielen aufhörte, schaute er sich seine Stiefel an und sagte: „Ich spiele eben für sie, weil sie es mögen.“

„Ja, das habe ich bemerkt,“ sagte ich, „sind sie denn aus ihren Käfigen geflohen?“

„Nein, „antwortete Otis, „ich hatte sie freigelassen, weil sie mir leid taten immer in ihren Käfigen eingesperrt zu sein, ich weiss, wie man sich fühlt eingesperrt zu sein.“

„Du weißt das?“ sagte ich.

„Ich war im Gefängnis,“ antwortete Otis, schaute mir schnell in die Augen und senkte wieder die Augen auf seine Stiefel.

„Wirklich?“ fragte ich.“

„Lassen wir das,“ sagte Otis. „Bist du nicht da um den Boden zu fegen?“

„Ja, Herr, “ antwortete ich.

Otis ging hinter den Ladentisch, wühlte in einem Haufen von Gerümpel herum und gab mir etwas in die Hand.

„Komm, nimm,“ sagte er „du musst jetzt den Fussboden wischen.“

Er war so durcheinander, dass er mir statt dem Besen die Gitarre in die Hand drückte.

„Mit ihrer Gitarre?“ fragte ich kopfschüttelnd.

Er lächelte verlegen und gab mir dann den Besen.

Ich fing also an zu arbeiten.

Ich putzte alle Böden auf und später wischte ich auch noch den Staub von den Gestellen.

Während der ganzen Zeit, in der ich arbeitete, lief mir Winn-Dixe hinterher. Gertrudis sass ihm ständig auf dem Kopf oder auf dem Rücken und kreischte „Hund, Hund!“

Otis bedankte sich bei mir, als ich fertig war.

Dann machte ich mich auf den Heimweg. Dabei überlegte ich mir, wie ich es dem Pastor sagen könnte, ohne dass er schimpfen würde, denn ich arbeitete immerhin bei einem Mann, der im Gefängnis war.

Pastelita Thomas, welche gegenüber dem Geschäft auf mich wartete, stand da mit dem Finger im Mund, schaute mich eindringlich an und sagte:

„Ich habe alles gesehen!“

„Was hast du schon wieder gesehen?“ fragte ich sie.

„Ich habe gesehen, dass die Tiere nicht mehr in ihren Käfigen waren und ich habe gesehen, dass sie still am Boden lagen wie versteinert.

Ist er ein Zauberer dieser Mann?“

„Mehr oder weniger schon,“ sagte ich.

Darauf umarmte Pastelita Winn-Dixie stürmisch und sagte, „er ist ein Zauberer, wie dieser Hund aus dem Supermarkt.“

„Ja, genau,“ antwortete ich.

Als wir uns auf den Weg machten, nahm Pastelita den Finger aus dem Mund und hielt mich an der Hand fest und fragte: „Kommst du zu meinem Geburtstagsfest?“

„Aber sicher!“ erwiderte ich.

„Das Thema ist rosa!“ sagte sie.

„Ich weiss es schon,“ antworte ich.

„Jetzt muss ich nach Hause gehen und Mama erzählen, was ich alles gesehen habe. Ich wohne gleich hier in diesem gelben Haus. Sieh, meine Mutter ist auf der Veranda, sie grüsst uns und winkt uns zu!“

Ich winkte der Frau auf der Veranda zurück. Pastelita rannte zu ihrer Mutter um ihr zu erzählen, dass Otis ein Zauberer sei.

Ich musste an meine eigene Mutter denken und dass ich ihr auch so gerne diese Geschichte von Otis erzählen würde.

Ich würde ihr auch von Franny Block und dem Bären erzählen und von Gloria Dump, von der ich eine Zeit lang geglaubt hatte, dass sie eine Hexe sei.

Ich konnte mir gut vorstellen, dass diese Art von Geschichten meiner Mama gut gefallen würden, sie würde in lautes Lachen ausbrechen, in das frühere Lachen, von dem mir der Pastor erzählt hatte.

Ich werde alle Geschichten für sie sammeln.


13. Kapitel

Winn-Dixie und ich hatten uns an einen eigenen Tagesablauf gewöhnt.

Wir machten es uns zur Gewohnheit, am Morgen sehr früh aufzustehen, damit uns noch genügend Zeit bleibe, um Otis beim Spielen zuzuhören.

Manchmal sass auch Pastelita mit uns auf dem Fussboden. Sie hielt Winn-Dixie eng umschlungen, wiegte mit der Melodie im Rhythmus und summte dazu.

Immer, wenn das Konzert zu Ende war, suchte sie sich das Tier aus, welches ihr am besten gefiel, aber dann liess sie es wieder los und ging traurig nach Hause. Das einzige Tier, das sie eigentlich am liebsten gehabt hätte, war Winn-Dixie.

Ich putzte den Fussboden und wischte den Staub, und weil Otis keine Lust hatte seine Gestelle aufzuräumen, tat ich es für ihn auch noch.

Als ich damit fertig war, schrieb Otis meine Arbeitszeit in sein Heft. Auf der Titelseite stand: „Ein rotes Lederhalsband und eine rote Lederleine.“

Mir war klar, dass dieser Otis kein Verbrecher war.

Nach der Arbeit in der Tierhandlung Gertrudis schauten wir, Winn-Dxie und ich, bei Franny Block in der Bibliothek vorbei und hörten ihr noch ein wenig beim Geschichten erzählen zu.

Aber mein allerliebster Ort in diesem Sommers war der Innengarten von Gloria Dump und ich konnte mir vorstellen, dass es auch der liebste Ort für Winn-Dixie war. Jedesmal wenn wir uns dem Haus näherten, riss sich Winn-Dixie vom Velo los und rannte direkt in den Innenhof hinein, wo er sich einen einen Löffel Kakaobutter erhoffte.

Manchmal folgten mir Dunlap und Stevie Dewberry. Sie riefen dann: „Dort geht das Mädchen vom Pastor um der Hexe einen Besuch zu machen.“ Und ich widersprach ihnen, dass Gloria keine Hexe sei und ich wurde jedes Mal ganz wütend, wenn sie mir nicht zuhörten. Aber eigentlich konnten von mir aus glauben, was sie wollten, über Gloria Dump.

Einmal sagte mir Stevie: „Meine Mama sagt, dass du nicht die ganze Zeit in der Tierhandlung und in der Bibliothek verbringen sollst und nur mit alten Leuten reden. Sie sagt auch, du sollst an die frische Luft und mit den Kindern deines Alters spielen. Das sagt meine Mama.“

„Oh, lasst nur,“ sagte ich zu Dunlap und Stevie.

Dann kehrte Stevie zu mir zurück und fügte hinzu: „Nimm es nicht ernst, es war ein Witz.“

Ich wurde aber so böse, dass ich ihn anschrie: “Mir ist es ganz egal, was deine Mutter sagt, es ist nicht meine Mutter, daher steht es ihr nicht zu, mir zu sagen was ich tun soll oder nicht!“

„Ich gehe zu meiner Mutter und sage ihr, was du gesagt hast, „schrie Stevie, zurück. „Und sie wird es deinem Papa sagen und er wird dich in der Kirche vor allen Leuten beschämen. Und übrigens, dieser Typ von der Tierhandlung ist geistig zurückgeblieben und war im Gefängnis, und ich frage mich, ob dies dein Papi weiss.

„Otis ist keineswegs geistig zurückgeblieben,“ schrie ich ihn an. „Und mein Papi weiss übrigens, dass er im Gefängnis war.“

Das war natürlich eine Lüge, aber mir war das egal. Ich fügte noch hinzu: „Und jetzt kannst du ruhig abhauen und mich verpezten, bei wem du willst, du grosser Säugling du!“

Ich schwöre, ich hatte es satt, mich jeden Tag mit Dunlap und Stevie herumzustreiten.

Als ich den Innenhof von Gloria Dump betrat, fühlte ich mich kraftlos wie ein Soldat, der gekämpft hatte. Gloria machte mir ein Sandwich mit Erdnussbutter und eine Tasse Kakao, das tat mir gut.

„Warum spielst du nicht mit diesen Kindern?“ fragte Gloria.

„Weil sie ungebildet und blöd sind,“ sagte ich ihr.

„Sie glauben immer noch, dass Sie eine Hexe sind, obwohl ich es ihnen schon oft gesagt habe, dass es nicht so ist.“

„Meiner Meinung nach versuchen sie, auf ziemlich umständliche Weise dich zur Freundin zu machen,“ sagte Gloria.

„Ich möchte sie aber nicht zu meinen Freunden machen,“ erwiderte ich böse.

„Es könnte aber lustig sein, zwei Buben als Freunde zu haben!“

„Ich spreche aber tausendmal lieber mit Ihnen,“ sagte ich, „sie sind blöd, unverschämt und es sind Buben.“

Gloria schüttelte den Kopf, seufzte und fragte mich dann, was in der Welt so alles passiert sei und ob ich ihr eine Geschichte erzählen würde.

Ich hatte natürlich immer etwas zu erzählen.


14. Kapitel

Ich erzählte ihr Geschichten von Franny Block oder ich machte ihr vor, wie Otis auf der Gitarre spielte und wie er den Takt mit seinen Cowboystiefeln dazu klopfte, dabei musste sie immer lachen.

Aber ich erzählte ihr auch Sachen, bei denen sie gespannt zuhörte, vom Anfang bis zum Schluss.

Eines Tages sagte sie mir, dass sie fast gar nichts mehr sehen würde und darum auch keine Bücher, und somit auch keine Geschichten mehr lesen könnte.

„Aber Sie könnten sich doch eine gute Lesebrille kaufen,“ riet ich ihr.

„Es gibt für mich keine Lesebrille, die stark genug wäre für meine Augen,“ antwortete sie traurig.

Darauf entschloss ich mich ihr zu sagen, dass Otis im Gefängnis war, ich dachte, es wäre gut, wenn ich das einer älteren Person sagte, und Gloria war die älteste, die ich kannte.

„Kennen sie Otis?“ fragte ich sie.

„Nein, ich kenne ihn nicht, aber du wirst es mir gleich sagen“.

„Gut, er war im Gefängnis, er hatte etwas verbrochen, denken Sie, dass man Angst vor ihm haben müsste?

„Warum?“ fragte sie verwundert.

„Ich weiss nicht, weil er etwas verbrochen hatte und darum ins Gefängnis musste.“

„Kind,“ sagte Gloria, „lass mich dir etwas erzählen.“

Sie erhob sich, ganz langsam, nahm meine Hand und fügte hinzu: „Komm, wir gehen zum hinteren Teil des Innenhofes.“

„Einverstanden,“ antwortete ich.

Wir gingen zusammen dorthin, Winn-Dixie folgte uns.

Es war ein riesengrosser Innenhof, noch nie hatte ich diesen Teil des Gartens gesehen.

Bei einem riesengrossen Baum hielten wir an.

„Schau dir diesen Baum an!“ sagte Gloria.

Ich schaute zum Baum hoch und sah, dass beinahe an jedem Ast eine leere Flasche hing, es waren leere Whisky-Bier-und Weinflaschen, die mit Schnüren angebunden waren. Sie bewegten sich im Wind und wenn sie zusammenschlugen, machten sie unheimliche Geräusche.

Winn-Dixie und ich setzten uns auf den Boden und schauten hinauf zum Baum. Als der Hund die klirrenden Geräusche von den zusammenschlagenden Flaschen hörte, stellten sich ihm die Nackenhaare und er fing an zu Knurren.

Gloria zeigte mit ihrem Stock zu Baum und sagte:

„Was denkst du über diesen Baum?“

„Ich, ich weiss es nicht, warum hängen denn all diese Flaschen am Baum?“

„Um die Geister fernzuhalten“, antwortete sie.

„Was für Geister?“ ,fragte ich unverständlich.

„Die Geister von allen schlechten Taten, die ich früher einmal begangen hatte.“

Ich schaute nochmals hoch zu den Flaschen und sagte:

„So viele schlechte Taten haben sie gemacht?“

„Mhmm, hmmmm, brummte Gloria, noch mehr als diese.“

„Aber Sie sind doch die beste und die liebste Person, die ich kenne!“

„Ja, aber das heisst nicht, dass ich früher nicht auch einmal dumme Sachen gemacht hätte, Sachen, die man nicht hätte machen dürfen.“

„Aber warum die Whisky-und Bier-und Weinflaschen?“

„Ich weiss, Kind, ich selbst habe sie alle einmal getrunken und hatte sie später alle selbst an die Äste gehängt.“

„Meine Mutter trank auch,“ seufzte ich.

„Ich weiss es,“ sagte Gloria.

„Der Pastor sagte, dass sie oft nicht mehr aufhören konnte zu trinken.“

„Hmmm, hmm,“ seufzte sie „für einige ist es so, sie fangen einmal damit an und können dann nicht mehr aufhören.“

„Waren Sie eine von diesen?“ fragte ich sie

„Ja, mein Kind, das war ich, aber es ist lange her, dass ich nicht mehr trinke, ich trinke heute nichts Stärkeres mehr als Kaffee.“

„Waren der Wein und das Bier und der Whisky schuld an den schlechten Taten, die Sie gemacht hatten?“ fragte ich sie. „Ja, das war vor allem der Alkohol, der mich zu schlechten Taten verleitet hatte. Aber andere dumme Sachen machte ich auch, aus irgendeinem Grund, bevor ich es verstand.“

„Was verstand?“

„Verstand, dass es das Wichtigste ist!“

„Und was ist das Wichtigste?“ fragte ich.

„Das ist verschieden, jedes für sich muss das selbst herausfinden.

Du musst einfach immer daran denken, dass man über Personen, die früher einmal Fehler gemacht haben, nicht urteilen darf, du musst das bewerten, was sie heute tun. Ich will dir ein Beispiel nennen: Du schätzt zum Beispiel an Otis die schöne Musik, die er auf seiner Gitarre spielt und wie liebevoll er mit den Tieren umgeht, und das ist alles, was zählt, nicht?“

„Ja,“ sagte ich nachdenklich.

„Und gegen die zwei Buben, Stevie und Dunlap, hast du nicht starke Vorurteile?“ fragte mich Gloria.

„Ja, das hab ich wohl,“ antwortete ich.

„Also gut,“ sagte Gloria, während sie sich umkehrte und auf das Haus zulief.

Winn-Dixie wollte sich Gloria anschliessen und gleichzeitig wollte er mich nicht hier alleine sitzen lassen, darum rieb er seine feuchte Nase an mir und wedelte mit dem Schwanz. Ich wollte aber noch ein wenig sitzen bleiben, und über diesen Baum nachdenken, während Winn-Dixie hinter Gloria hertrottete.

Ich fragte mich, ob meine Mama, dort wo sie war, auch so einen Baum mit leeren Flaschen hatte und ob ich für sie auch einen Geist war.


15. Kapitel

Die Klimaanlage von Franny Block funktionierte nicht mehr gut.Darum hatte sie einen Ventilator, den Winn-Dixie, als wir eintraten, sofort in Beschlag nahm. Er legte sich neben dem Ventilator nieder, hob seinen Schwanz und liess sich vom Wind seinen langen Pelz zersausen.

Aus einigen Stellen im Fell flogen ihm die Haare davon, sodass ich mir ein wenig Sorgen machte, er könnte dort kahl werden. Aber Franny Block sorgte sich darüber nicht im Geringsten, sie sagte, Winn-Dixie könnte den Ventilator in Anspruch nehmen so viel er wolle, noch nie in ihrem Leben hätte sie gesehen, dass ein Ventilator einen Hund kahl hätte machen können.

Gelegentlich, wenn mir Franny Block eine Geschichte erzählte, bekam sie einen kleinen Anfall, der aber nie lange dauerte, sie vergass dann das, was sie gerade erzählen wollte und zitterte wie Espenlaub. Wenn dies geschah, erhob sich jeweils Winn-Dixie von seinem Platz und stellte sich, mit steifen Ohren und ganz stramm neben Franny Block hin, als wollte er sie beschützen. Und wenn sie wieder zu sich kam und mit dem Zittern aufhörte, leckte er ihr die Hände und kehrte dann wieder an seinen Platz neben dem Ventilator zurück.

Ich erinnerte mich an die Anfälle, die Winn-Dixie während des Unwetters hatte, und es hatte viele Gewitter in diesem Sommer und ich wusste schon ganz gut, wie ich ihn trösten musste. Ich hielt ihn fest, wiegte ihn in meinen Armen und flüsterte ihm tröstende Worte zu, genau so versuchte er auch Franny Block zu trösten.

Ich fragte mich, wer Gloria Dump tröstete, wenn sie das Klirren der leeren Flaschen hörte, wenn die Geister von ihren bösen Taten sprachen, die sie einst beging.

Darum beschloss ich, zu ihr zu gehen, um sie zu trösten, wenn sie Angst hatte. Ich würde ihr dann einfach so laut vorlesen, das sich die Geister einfach wieder zurückziehen würden.

Also sagte ich zu Franny Block: „Fräulein Franny, ich habe eine alte Freundin, mit einem sehr ernsten Augenleiden, ich möchte ihr deshalb ein Buch vorlesen, könnten sie mir einen Vorschlag machen?“

„Vorschlag,“ antwortete Fräulein Franny, „ Ja, klar habe ich einen Vorschlag, was hältst du von der Geschichte: „Vom Winde verweht“?

„Von was handelt es?“ fragte ich sie.

„Schau, die Geschichte handelt vom Bürgerkrieg.“

„ Bürgerkrieg?“ fragte ich zurück.

„Sag nicht, dass du noch nie etwas über den Bürgerkrieg gehört hättest.“ erwiderte Fräulein Franny und wedelte mit den Händen vor dem Gesicht, als ob sie wieder einen Anfall bekommen könnte.

„Klar weiss ich etwas über den Bürgerkrieg, der Krieg muss wegen der Sklaverei zwischen dem Norden und dem Süden stattgefunden haben.

„Ja, wegen der Sklaverei und der Rechte des Staates und des Geldes, es war ein schrecklicher Krieg, mein Urgrossvater kämpfte in diesem Krieg als er noch ein Junge war.“

„Ihr Urgrossvater?“ „Ja, Littmus W. Block, eine lange Geschichte.“

Winn-Dixie gähnte mit weit offenem Maul und legte sich mit einem Seufzen nahe zu ihr hin.

Ich bin überzeugt, dass es eine lange Geschichte geben würde und dass wir hier nicht so schnell wieder fort kommen würden.

„Vorwärts, Fräulein Franny erzählen Sie sie mir!“ sagte ich und setzte mich mit verschränkten Beinen neben Winn-Dixie.

Ich wollte ihn ein wenig zur Seite stossen, damit ich auch etwas vom Ventilator hatte, aber er bewegte sich nicht vom Fleck und tat so, als ob er schliefe.

Ich war bereit, eine gute Geschichte zu hören, als mit einem Schlag die Türe aufsprang und Amanda Wilkinson eintrat, die mit den Stirnrunzeln.

Winn-Dixie setzte sich auf, schaute sie an und lächelte ihr zu, aber Amanda erwiderte ihm sein Lächeln nicht, deshalb legte er sich wieder hin.

„Ich möchte ein anderes Buch“, sagte Amanda und knallte es auf den Tisch.

„Gut!“ sagte Franny Block, „macht es dir nichts aus zu warten, ich wollte gerade Opal eine Geschichte über meinen Urgrossvater erzählen, falls du bleiben möchtest, bist du herzlich eingeladen, es dauert nicht so lange.“

Amanda stiess einen theatralischen Seufzer aus und tat so, als ob sie kein Interesse an der Geschichte hätte, aber ich bemerkte, dass sie es doch hatte.

„Komm, setz dich da hin “,sagte Franny Block.

„Danke, ich bleibe stehen, “ antwortete Amanda.

„Wie du möchtest,“ erwiderte Franny Block und zog die Schultern hoch.

„Wo war ich stehen geblieben? Ah ja, bei Littmus, Littmus Block, meinem Urgrossvater.


16. Kapitel

„Littmus war erst 14 Jahre alt, als sein Vater in den Krieg eingezogen wurde. Er selbst war gross und stark und sagte eines Tages zu seiner Mutter, er könne nicht länger untätig herumsitzen und zusehen, wie die Nordamerikaner den Süden angreifen, und beschloss, auch in den Krieg zu ziehen.

Franny seufzte wieder, als sie sich daran erinnerte:

„Damals, wollten die Männer und die Knaben immer kämpfen, immer waren sie auf der Suche nach einer Ausrede um in den Krieg zu ziehen, dabei seien Kriege das Traurigste, was es auf der Welt gebe.

Littmus wurde also eingemustert. Er verleugnete er sein Alter, als sie ihn danach fragten. Sie glaubten ihm, weil er eben gross und stark war, aber er fand die Wahrheit schnell heraus.“

„Was für eine Antwort?“ fragte ich sie.

„Dass der Krieg die Hölle war!“ erwiderte Fräulein Block.

„Hölle ist ein starkes Wort!“ fügte Amanda hinzu und runzelte ihre Stirne noch mehr als gewöhnlich.

„Krieg ist sehr wohl ein schlimmes Wort.“ Franny Block schüttelte den Kopf und zeigte mit dem Finger auf uns. „Keines von euch kann sich nicht im geringsten einen Krieg vorstellen!“ sagte Franny Block.

„Nein!“ antworteten wir zusammen.

„Littmus hatte die ganze Zeit Hunger und Durst und er war voll von Parasiten. Läuse und Mücken am ganzen Körper, im Winter fror er so stark, dass er glaubte zu erfrieren.“

„Und im Sommer?“ fragte Amanda.

„Es gibt nichts Schlimmeres als Krieg im Sommer, sie stanken erbärmlich, sie spürten weder Durst noch Hunger, weder das Beissen der Läuse noch die Mückenstiche, sie waren wie Tod, und dabei war er noch ein Kind.“ „Töteten sie ihn ?“ fragte ich sie.

„Mein Gott Opal!“ sagte Franny Block und schaute zum Himmel. „Ich wäre nicht in diesem Zimmer, wenn er tot wäre. Es gäbe keine Bibliothek. Er überlebte den Krieg, aber er war eine andere Person, als er nach dem Krieg zu Fuss nach Hause kehrte von Virginia bis Georgia. Er hatte kein Pferd, niemand hatte Pferde, ausser die Nordamerikaner, und als er zu Hause ankam, war sein Haus verschwunden.“

„Was war passiert? wollte ich wissen.

Die Yanqees hatten es bis auf die Grundmauern abgefackelt!“ sagte Franny mit trauriger Stimme.

„Und was ist mit seinen Schwestern passiert?“ fragte Amanda, ging um den Tisch herum und setzte sich neben Franny Block auf den Fussboden, „was passierte ihnen?“

„Sie starben am Thyphusfierber.“ „Oh, nein“ sagte Amanda mit trauriger Stimme.

„Und seine Mama?“ fragte ich leise, „sie starb auch,“ „und sein Vater?“ fragte Amanda weiter, „er starb im Krieg auf dem Schlachtfeld,“ sagte Franny leise, „dann war Littmus ja ein Waisenkind!“ erwiderte ich, „ja Kinder, er war ein Waisenkind!“

„Das ist aber eine traurige Geschichte,“ sagte ich. „Und wie sie das ist. “ fügte Amanda hinzu und ich war überrascht, dass sie mir einmal Recht gab.

„Ich bin noch nicht fertig“ sagte Franny Block, Winn-Dixie fing an zu schnarchen, ich gab ihm einen Schubs mit dem Fuss, damit er aufhörte, denn ich wollte gerne weiter zuhören. Für mich war es wichtig zu wissen, wie Littmus überlebte, nachdem er alle seine Lieben verloren hatte.


17. Kapitel

Gut, Littmus ging nach Hause nach dem Krieg, “fuhr Franny Block mit der Geschichte weiter, „und er war ganz allein, er setzte sich dort auf den Boden, wo eigentlich der Garten hätte sein sollen und weinte und weinte, er vermisste seine Mama, er vermisste seinen Papa, er vermisste seine Schwestern und er vermisste den Knaben, der er früher einmal gewesen war.

Als er zu weinen aufgehört hatte, überkam ihm ein merkwürdiges Gefühl, plötzlich hatte er grosse Lust nach etwas Süssem.

Es war ein Caramel, wonach es ihm gelüstet hatte. In diesem Moment traf er eine Entscheidung.

Littmus W. Block dachte, dass diese Welt ein trauriger Ort sei und dass in ihm viele schlimme Sachen passiert waren, darum beschloss er, diese Welt ein wenig zu versüssen.

Er erhob sich und fing an zu laufen. Er ging nach Florida. Und während er lief, dachte er über den Plan nach.

„Was für einen Plan?“ fragte ich,“ „natürlich ein Plan über eine Caramelfabrik.“

„Baute er eine?“ fragte ich wieder. „Klar baute er eine, sie steht immer noch in Fairville Road.“

„Jenes alte Gebäue?“ fragte Amanda, „jenes riesengrosse düstere Gebäude?“

„Es ist nicht düster,“ sagte Franny Block, „es war der Geburtsort des Familienunternehmens. Es war der Ort, wo mein Urgrossvater Littmus W. Block anfing Caramels zu produzieren, Caramels, die weltweit berühmt waren.“

„Ich erinnere mich nicht,“ sagte Amanda, „ich mich auch nicht,“ fügte ich hinzu. „Es macht auch den Eindruck, als ob die Menschen keine Lust mehr auf Caramels hätten, ich habe aber immer noch welche.“

Während sie dies sagte, öffnete sie die obere Schublade ihres Tisches, sie war voll von Caramels, dann öffnete sie die untere Schublade, auch diese war voll von Caramels. Der ganze Tisch von Franny Block war voll von Caramels.

„Hättet ihr Lust, ein Caramel zu probieren?“ fragte Fräulein Block.

„Klar doch,“ antwortete ich. „Darf Winn-Dixie auch eines haben?“ „Natürlich darf er eines haben, sagte Fräulein Block.

Ich bekam zwei Caramels und Amanda eines.

Ich öffnete das Caramelpapier und hielt es Winn-Dixie unter die Nase. Er roch zuerst daran, dann wedelte er mit dem Schwanz und dann nahm er es ganz vorsichtig aus meinen Fingern, versuchte es zu zerbeissen, aber dann schluckte er es einfach hinunter. Darauf wedelte er wieder mit dem Schwanz und liess sich mit einem zufriedenen Grunzen auf den Boden fallen.

Ich lutschte langsam an meinem Littmus Caramel, es schmeckte nach Sanddornbeeren und Himbeeren, aber auch nach etwas, das ich nicht kannte. Es war etwas, das mich ein wenig traurig machte. Ich schaute zu Amanda und bemerkte, dass auch sie in Gedanken versunken am Caramel herumlutschte. „Magst du es?“ fragte mich Fräulein Block. „Ja, ich mag es“ antwortete ich.“ „Und du Amanda, schmeckt dir das Caramel auch?“ „Ja ich mag es auch, aber es macht mich ein bisschen traurig.“

Ich fragte mich, was sie denn traurig mache, sie war ja nicht neu hier, sie hat eine Mutter und einen Vater, ich habe sie alle in der Kirche gesehen.

„Die Zutaten für diese Caramels sind geheim,“ sagte Franny Block.

„Ich kann diesen besonderen Geschmack wahrnehmen, aber ich weiss nicht, was es ist, kannst du es mir verraten?“ fragte ich Franny Block neugierig.

„Traurigkeit ist es.“ antwortete Franny Block, nicht alle sind fähig, den Geschmack der Traurigkeit wahrzunehmen, vor allem für Kinder ist es nicht einfach.

„Ich kann es schmecken, sagte ich,“ „ich auch“ sagte Amanda.

„Gut, es kann sein, dass ihr beide die Zutaten der Traurigkeit geschmeckt habt.“

„Ich,“ sagte Opal, „bin nach Watley gezügelt und musste alle meine Freunde verlassen, das macht mich sehr traurig, und Dunlap und Stevie Dewberry machen mich mit ihrem dummen Getue auch böse, das ist aber eine andere Sache. Die grösste Traurigkeit ist die, dass mich meine Mutter alleine gelassen hatte, als ich klein war. Ich erinnere mich kaum mehr an sie. Ich hoffe aber trotzdem, dass sie eines Tages zu mir zurückkehrt, damit ich ihr viele Geschichten erzählen kann.“

„Und ich erinnere mich an Carson,“ sagte Amanda mit weinerlicher Stimme, und fügte hinzu, „Ich muss jetzt nach Hause!“

Sie erhob sich und eilte aus der Bbliothek.

„Wer ist Carson?“ fragte ich Franny Block.

Sie schüttelte den Kopf und sagte nur: „Traurigkeit, das ist eine Welt voll Traurigkeit. „Aber wie kommt es, dass ich traurig werde, wenn ich ein Caramel esse? Wie hat Littmus Traurigkeit in das Caramel gemischt?“

„Das ist eben das Geheimnis, er fabrizierte Caramels, die glücklich und zugleich traurig machten. Diese Mischung brachte ihm Erfolg und Reichtum.“

„Kann ich eines für Gloria Dump mitnehmen und eines für Otis von der Tierhandlung und eines für den Pastor und eines für Pastelita?“

„Du kannst so viele mitnehmen wie du willst,“ sagte Franny Block. Ich füllte alle meine Taschen mit diesen Caramels, bedankte mich herzlich für die Geschichte und schrieb noch meine Adresse in das Heft für das geliehene Buch, „Vom Winde verweht“. Ich sagte zu Winn-Dixie, dass er aufstehen solle, dann machten wir uns auf den Weg zu Gloria Dump.

Als ich mit meinem Velo auf das Has der Brüder Dewberrys zufuhr, spielten sie gerade im Innenhof gerade Rugby, ich war schon auf einen verbalen Streit vorbereitet. Dann erinnerte ich mich sofort an Fräulein Frannys Worte, dass der Krieg die Hölle sei und ich erinnerte mich auch an die Worte von Gloria Dump, dass man nicht so hartherzig sein soll, so winkte ich ihnen nur grüssend zu. Sie blieben stehen und schauten zu mir herüber. Als ich gerade gegenüber ihrem Haus war, sah ich, wie Dunlap mir auch grüssend zuwinkte.

„Hallo Opal!“ rief er. „Hallo Dunlap!“ rief ich, und freute mich über den Gruss.


18. Kapitel

Als wir bei Gloria Dump ankamen, sagte ich ihr, dass sie die Augen schliessen sollte, weil ich ihr zwei Überraschungen hätte, eine kleine und eine grosse und fragte sie, welche sie zuerst wolle. Darauf sagte sie die kleine.

Dann gab ich ihr das Caramel von Littmus, sie nahm es entgegen, bewegte es von einer Hand zur anderen und fragte: „Ist es ein Caramel?“ „Ja, es ist ein Caramel,“ antwortete ich, „es heisst Littmus Caramel.“

„Mein Gott, ja, ich erinnere mich an diese Caramels,“ sagte Gloria, öffnete es und schob es in den Mund.

„Mögen sie es?“ fragte ich. „Mmmmm-hmmm,“machte sie und nickte nachdenklich. „Sie schmecken süss, aber sie schmecken auch nach Einsamkeit und Verlassenheit.“ „Möchten sie damit sagen, dass sie traurig schmecken?“ fragte ich darauf. „Ja, genau, sie schmecken traurig, und zugleich süss,“ antwortete Gloria.

„Und was ist die nächste Überraschung?“ fragte Gloria.

„Ein Buch,“ sagte ich, „ein Buch, juhuh...“ antwortete Gloria.

„Ich will es Ihnen vorlesen. Der Titel ist „vom Winde verweht.“ Franny Block sagte, dass es ein gutes Buch sei und dass es vom Bürgerkrieg handle. „Wissen sie etwas über den Bürgerkrieg?“ „Ja, ich habe ein paar Mal davon erzählen gehört,“ „sagte Gloria Dump und lutschte weiter an ihrem Caramel.

„Wir werden viel Zeit mit Lesen verbringen, dieses Buch hat über tausend Seiten Seiten,“ sagte ich ihr. „Wauuu...!“ antwortete Gloria Dump. Sie setzte sich auf ihren Stuhl, kreuzte die Arme über ihrem Bauch und sagte: „ Das beste, was wir jetzt machen, ist möglichst bald mit lesen anzufangen.“Also fing ich an zu lesen, ich las genügend laut, so dass sich die Geister fernhielten, Gloria hörte mit grosser Aufmerksamkeit zu.

Als ich fertig war, sagte sie, dass dies die grösste Überraschung sei, die man ihr jemals gemacht habe und dass sie ganz begierig auf das nächste Kapitel warte.

Ein paar Stunden später, als mir mein Vater einen Gut-Nacht-Kuss gab, schenkte ich ihm auch ein Caramel. „Was ist das? fragte der Pastor.

„Das ist ein Caramel, das der Urgrossvater von Frau Franny, Littmus Block, nach dem Krieg fabriziert hat, sie heissen Littmus-Caramel.“ Der Pastor öffnete das Papier des Caramels und steckte das Bonbon in den Mund. Einige Minuten danach rieb er seine Nase und bewegte seinen Kopf nachdenklich

„ Magst du sie?“ fragte ich ihn:

„Sie haben einen eigenartigen Geschmack. „Sanddorngeschmack?“ fragte ich ihn, „ja, aber es ist noch etwas,“ meinte der Pastor. „Brombeeren?“ fragte ich wieder. „Das auch, aber es hat noch etwas, etwas, das alles Süsse dominiert, etwas ganz Eigenartiges.“ Dabei legte er die Hände an die Stirne und senkte den Kopf.

„Es schmeckt ganz stark nach Melancholie,“ sagte er traurig. „Was ist Melancholie?“ fragte ich, „Traurigkeit,“ erwiderte der Pastor, rieb die Nase noch einmal und fügte hinzu: „Ich musste an deine Mutter denken.“

Winn-Dixie schnupperte am Caramelpapier, das der Pastor in der Hand hielt.

„Es schmeckt so traurig.“ seufzte er, „ob es wohl verdorben ist“ „Nein, das ist es nicht“ sagte ich,“ ich vermutete schon, dass er das sagte.

„Papa, ich erzähle dir jetzt eine Geschichte, du wirst erfahren, warum diese Caramels so schmecken:“ Der junge Littmus Block kehrte vom schrecklichen Krieg zurück und musste erfahren, dass seine ganze Familie tot war, dass sein Vater erschossen worden war und dass seine Mutter und seine Schwestern an einer Krankheit gestorben waren und dass die Amis ihr Haus niedergebrannt hatten. Littmus war darüber so sehr traurig, dass er sich nichts anderes auf der Welt wünschte, als etwas Süsses, und so baute er eine Fabrik und fabrizierte Caramels, in die er seine ganze Traurigkeit mischte, er nannte sie „Littmus-Caramels.“.

„Mein Gott!“ sagte der Pastor.

Winn-Dixie schnupperte wieder am Caramelpapier, das an der Hand des Pastor herunterhing und fing es an zu kauen. „Gib es mir.“ sagte ich zu Winn-Dixie, aber er gehorchte mir nicht. Ich öffnete seinen Mund und zog das Papier zwischen seinen Zähnen heraus. „Du sollst kein Caramelpapier essen“ befahl ich ihm.

Der Pastor spülte seinen Mund, ich dachte, dass er mir etwas Wichtiges erzählen wollte etwas, das ihn an meine Mutter erinnerte, aber alles, was er dazu sagte war: „Opal, vor ein paar Tagen sprach ich mit Frau Dewberry, sie sagte, dass du Stevie ein glatzköpfiges Bebe nennst.“

„Das ist wahr, aber er nennt Gloria Dump nicht bei ihrem richtigen Namen, er sagt die ganze Zeit Hexe zu ihr. Und über Otis sagte er, dass er geistig behindert sei. Und einmal hatte er zu mir gesagt, seine Mutter habe ihm gesagt, dass ich nicht die ganze Zeit mit alten Leuten verbringen solle, das alles hat er gesagt.“

„Ich denke, dass du dich trotzdem bei ihm entschuldigen solltest,“ meinte der Pastor.

„Ich, mich entschuldigen?“ „ Ja, entschuldigen,“ antwortete er.

„Du sagst Stevie, dass du dich entschuldigen werdest, weil du ihm etwas Verletzendes gesagt habest, ich bin mir sicher, dass er dein Freund sein möchte.“

„Nein, das glaube ich jetzt nicht, dass er mein Freund sein möchte!“ sagte ich.

„Es gibt eben Leute, die haben eine merkwürdige Art, Freunde zu machen, du gehst dich einfach entschuldigen.“

„Ja, dann mache ich es eben, „ sagte ich und dachte an Carson.

„Papa,“ sagte ich: „Weißt du etwas über Amanda Wilkinson?“ „Was sollte ich über sie wissen?“ fragte der Pastor.

„Weißt du etwas über sie und über jemanden namens Carson, Papa?“

„Carson war ihr kleinerer Bruder, er ertrank letztes Jahr.“

„Tod?“ „Ja,“ sagte der Pastor, „ die Familie leidet heute noch ganz fest darunter.“

„Wie alt war er, als er starb?“ „erst fünf Jahre alt, antwortete mein Vater.“

„Papa, warum hast du mir nie etwas davon gesagt?“

„Die tragischen Geschichten der anderen sollte man nicht so leichtfertig herumerzählen, ich hatte keinen Grund, es dir zu erzählen.“

„Doch es wäre für mich wichtig gewesen, wenn du es mir gesagt hättest, das hätte mir geholfen, Amanda besser zu verstehen!“

„Was soll das heissen?“ fragte der Pastor.

„Nichts!“ sagte ich.

„Gute Nacht, India Opal“ sagte der Pastor, beugte sich zu mir herunter, küsste mich und dabei roch ich noch die traurige Mischung von Sanddorn und Brombeer in seinem Atem.

Er tätschelte noch Winn-Dixie den Kopf, löschte das Licht und zog die Türe zu.

Ich schlief nicht sofort ein. Ich dachte nach und kam zum Schluss, dass das Leben wie ein Littmus- Caramel war, in dem Trauriges und Süsses sich ineinander vermischte und wie schwierig es war, es auseinanderzunehmen. Es war wirklich konfus.

„Papa!“ schrie ich.

Die Tür öffnete sich und der Pastor schaute mich mit grossen Augen fragend an.

„Was für ein Wort hast du vorhin gesagt für Traurigkeit?“

„Melancholie“ antwortete er, „Melancholie,“ wiederholte ich, „mir gefällt dieses Wort, es tönt so, als hätte es versteckte Musik in seinem Innern.

„Also gute Nacht“ sagte der Pastor.

„Gute Nacht,.“ antwortete ich.

Ich stieg aus dem Bett und steckte mir ein Caramel in den Mund und während ich es lutschte, musste ich ganz fest an meine Mutter denken, wie sie wohl gewesen sein mag. Das waren nun melancholische Gedanken.

Dann dachte ich an Amanda und an ihren verstorbenen Bruder Carson, auch das machte mich melancholisch. Arme Amanda, armer Carson, er hatte das gleiche Alter wie Pastelita, nur konnte er seinen sechsten Geburtstag nicht mehr feiern.


19. Kapitel

Heute hatte ich vor, mit Winn-Dixie in die Tierhandlung zu gehen, um den Laden zu putzen. Ich packte mir ein paar Caramels ein und wir machten uns auf den Weg zu Otis. Als wir eintraten, streckte ich ihm ein Caramel zu.

„Ist heute Halloween?“ fragte mich Otis, als er das Caramel entgegen nahm.

„Nein, warum?“ antwortete ich,

„Weil du mir ein Caramel gibst.“

„Es ist einfach etwas Kleines für heute,“ sagte ich ihm.

„Ohhh,“ rief Otis, öffnete es und schob es in den Mund, nach ein paar Sekunden liefen ihm Tränen über die Wangen.

„Magst du sie?“ fragte ich ihn. Er nickte mit dem Kopf und sagte: „Danke, sie schmecken gut, aber sie schmecken auch nach Gefängnis.

„Gertrudis!“ krächzte der Papagei und pickte das Caramelpapier aus Otis Hand, schaute sich um und krächzte nochmals: „Gertrudis!“

„Ich kann dir keines geben, diese sind nicht für Papageien.“ Und ganz schnell, bevor mich meinen Mut verliess, fragte ich Otis: „Warum warst du im Gefängnis, warst du ein Verbrecher?“

„Nichts dergleichen“ antwortete Otis, „ein Dieb?“

„Nein, auch nicht,“ antwortete er und kaute auf seinem Caramel herum, dabei senkte er den Kopf.

„Du brauchst es mir nicht zu sagen, wenn du nicht willst, es ist reine Neugierde.“

„Ich bin nicht gefährlich, wenn du das meinst, ich fühle mich nur einsam.“

„Gut,“ sagte ich und ging nach hinten zur Grümpelkammer um den Besen zu holen. Als ich wieder im Laden war, stand Otis immer noch wie vorher in Gedanken versunken da.

„Es war nur wegen der Musik,“ sagte er. „Was für eine Musik?“ fragte ich ihn.

„Wegen dieser hat man mich ins Gefängnis gesperrt, wegen der Musik.“

„Was war passiert?“

„Ich konnte nicht aufhören Gitarre zu spielen, ich spielte auf der Strasse, ich spielte überall, die Leute gaben mir manchmal Geld, aber ich machte es nicht wegen des Geldes, ich spielte, weil ich die Musik brauche, weil es schön klingt und weil es noch viel schöner klingt, wenn jemand zuhörte.

Gut, eines Tages kam die Polizei und verlangte von mir, dass ich sofort aufhören sollte zu spielen, es verstosse gegen das Gesetz, aber die ganze Zeit, während sie sprachen, spielte ich weiter und darum wurden sie ganz zornig. Sie versuchten mir Handschellen anzuziehen.“ flüsterte er, „aber das mochte ich gar nicht, denn ich hätte nicht mehr Gitarre spielen können mit gefesselten Händen.“ „Und was passierte dann?“ fragte ich Otis. „Ich schlug sie,“ flüsterte er, „du schlugst die Polizisten?“

„Uh-huh,“ weinte er. „Einen von ihnen schlug ich fast k.o., dann musste ich ins Gefängnis, sie sperrten mich ein und nahmen mir die Gitarre weg. Und als sie mich endlich wieder frei liessen, verboten sie mir, je wieder auf der Strasse zu spielen.“ Er schaute mich an und sagte. „Seitdem spiele ich nur noch hier drinnen für die Tiere.“.

„Weisst du, als die Inhaberin damals in der Zeitung von meiner Entlassung aus dem Gefängnis las, suchte sie mich auf und bat mich bei ihr zu arbeiten und für die Tiere zu spielen.

„Und nun spielst du auch für uns, für Winn-Dixie, für Pastelita und für mich,“ tröstete ich ihn. „Ja, schon, aber hier drinnen und nicht auf der Strasse, ich kann nicht mehr auf der Strasse spielen.“

„Danke, dass du mir alles erzählt hast, Otis,“ sagte ich. „Schon gut, schon gut,“ erwiderte Otis.

Dann trat Pastelita in den Laden. Ich gab ihr ein Caramel Littmus und sie lutschte es sofort und sagte, dass sie schlecht schmeckten und dass sie nun wüsste, dass sie nie einen Hund haben könnte.

An diesem Tag putzte ich das Geschäft ganz, ganz langsam, ich wollte Otis lange Gesellschaft leisten. Ich wollte nicht, dass er sich einsam fühlte. Ich dachte an meine Mama, meine Gedanken führten mich an einen fremden Ort, ein Ort, wo ich fühlen konnte, dass sie dort war.


20. Kapitel

Als ich Gloria Dump erzählte, warum man ihn eingesperrt hatte, lachte sie so stark, dass sie ihr Gebiss gerade noch festhalten konnte, bevor es ihr aus dem Mund fiel.

„Er ist ein einsamer Mensch und das Einzige, was er möchte, ist Musik spielen für jemanden,“ sagte ich ihr.

Gloria wischte sich mit dem Rocksaum die Lachtränen von den Augen und sagte: „Ich weiss es schon, meine Teure, aber manchmal gibt es solche traurige Sachen auf der Welt, dass man darüber nur lachen kann.“ „Und möchten Sie noch mehr wissen?“ fragte ich sie, als mir noch etwas Trauriges in den Sinn kam. „Dieses Mädchen, von der ich ihnen erzählt habe, die mit dem verbitterten Gesichtsausdruck, Amanda Wilkinson, ihr jüngerer Bruder ertrank letztes Jahr, er war nur fünf Jahre alt, genau gleich alt wie Pastelita.“

Gloria nickte mit dem Kopf und sagte: Ich kann mich erinnern, ich vernahm, dass ein Kind ertrunken war.“ „Genau, darum schaut Amanda immer so traurig drein,“ sagte ich, „sie vermisst ihn sehr.“

„Wahrscheinlich schon,“ fügte Gloria hinzu. „Glauben Sie, dass alle Menschen jemanden vermissen, so wie ich meine Muter vermisse?“

„Mmmm-hmmm, manchmal denke ich, dass jeder Mensch einmal ein trauriges Herz hat.

Ich konnte es nicht mehr länger ertragen, an so traurige Geschichten zu denken, darum fragte ich Gloria: „Möchten Sie, dass ich Ihnen das nächste Kapitel vom Buch, Vom Winde verweht vorlese?“ „Sehr gerne, „sagte Gloria, „ich habe mich schon die ganze Zeit darauf gefreut, schauen wir mal, was jetzt das Fräulein Escarlata in diesem Kapitel macht.“

Ich öffnete das Buch und fing zu lesen an, aber die ganze Zeit musste ich an Otis denken, es machte mich traurig, weil er nicht mehr für die Menschen spielen durfte.

Diese Escarlata wollte im Buch ein grosses Grillfest geben mit Musik und allem Drum und Dran , so kam ich auf die Idee.

„Das ist es, was wir machen könnten!“ sagte ich und schloss das Buch. Winn-Dixie erhob den Kopf wie ein König unter dem Stuhl von Gloria und schaute nervös herum.

„Was könnten wir machen?“ fragte Gloria. „Ein Fest geben, wir müssen ein Fest geben, wir laden Franny Block, denr Pastor und Otis ein. Otis könnte dann Gitarre spielen für alle, auch Pastelita laden wir ein, sie liebt das Gitarrenspiel von Otis.

„Wer gibt das Fest?“ fragte Gloria, „wir, Sie und ich, wir könnten etwas zu essen machen und hier bei ihnen im Garten feiern.“

„ Hmmm, hmmm,“ antwortete Gloria. „Wir könnten Sandwiches machen mit Haselnussbutter und diese in kleine Dreiecke schneiden, so sähen sie eleganter aus.“ „Oh Gott, meinst du dass andere Leute auch so gerne Haselnussbutterbrötchen essen, wie wir zwei und dieser Hund?“ meinte Gloria

„Gut, dann könnten wir ja Eiersalatsandwiches machen, die grossen Leute mögen das gerne.“ „Weißt du, wie man Eiersalat macht?“ fragte Gloria. „Nein,“ antwortete ich, „ich habe keine Mutter, die mich solche Sachen lehren könnte, aber ich wette, Sie können das schon, und ich wette, Sie würden mir das auch zeigen.“

„Kann sein,“ antwortete sie, streichelte Winn-Dixies Kopf, und lächelte mich an. „Ich wusste, dass Sie ja sagen würden danke,“ sagte ich glücklich. Ich beugte mich zu ihr hinunter und umarmte sie ganz fest. Winn-Dixie wedelte mit dem Schwanz und legte sich zwischen uns, er ertrug es einfach nicht, aus irgendetwas ausgeschlossen zu werden.

„Das wird das beste Fest auf der Welt werden,“ sagte ich zu Gloria.

„Aber du musst mir etwas versprechen,“ sagte Gloria.

„Einverstanden und was?“ fragte ich. „Du musst die beiden Buben Dewberry auch einladen, fügte sie hinzu“ „Dunlap und Stevie?“ fragte ich ganz verwirrt „Ja, diese beiden, es gibt kein Fest ohne diese beiden!“ „Muss ich das wirklich machen?“

„Ja, ich möchte, dass du mir das versprichst!“ sagte Gloria.

„Gut, ich verspreche es.“ Mir gefiel diese Idee gar nicht, aber ich versprach es.

Ich fing sofort an die Leute einzuladen, an erster Stelle sagte ich es dem Pastor. „Papi?“ sagte ich,“„Ja, Opal“ antwortete der Pastor.

„Papi, Winn-Dixie, Gloria und ich geben ein Fest!“

„Sehr gut, wie schön,“ sagte er.

„Papi, ich sage es dir, weil du auch eingeladen bist.“

„Oh,“ antwortete er, rieb an seiner Nase und antwortete, „ich werde sehen!“

„Könntest du kommen?“ fragte ich ihn hartnäckig.

Der Pastor räusperte sich und antwortete: „Warum eigentlich nicht.“

Die nächste war Fräulein Franny Block und sie war begeistert von der Idee.

„Ein Fest?“ rief sie und klatschte in die Hände.

„Ja, ein Fest, es ist mehr oder weniger das gleiche Fest, wie im Buch, Vom Winde verweht, wo Escarlata ein Grillfest macht, der einzige Unterschied ist nur, dass wir nicht so viele Leute einladen und dass wir Eiersalatbrötchen machen statt Fleisch.

„Das tönt sehr fein,“ sagte Franny Block und zeigte zum andern Zimmer der Bibliothek, wo sich Amanda aufhielt und flüsterte: „Du könntest Amanda auch einladen nicht?“

„Ja, aber es ist möglich, dass sie nicht kommen wird, weil es ihr nicht gut geht.“ „Frag sie doch einfach, dann siehst du, was sie dazu meint.“ sagte Franny.

So ging ich zum hinteren Teil der Bibliothek und fragte Amanda mit meiner höflichsten Kinderstimme, ob sie auch zu meinem Fest kommen möchte.

Sie schaute nervös herum und sagte: „Ein Fest?“ „Ja, es würde mir gefallen, wenn du auch kommen könntest.“ Amanda schaute mich ganz erstaunt mit offenem Munde an und sagte dann: „Gut, ich sage ja, danke, es würde mir gefallen.“

Und wie ich Gloria versprochen hatte, fragte ich auch noch die Dewberrys Brüder.

„Niemals würde ich an einem Fest einer Hexe teilnehmen,“ sagte Stevie. Dunlap gab ihm einen heftigen Rippenstoss und sagte: „Wir werden kommen!“

„Nein, niemals, diese Hexe würde uns etwas aus ihrem Hexenkessel kochen, sagte Stevie.“

„Mir ist es ganz egal, ob ihr kommt oder nicht,“ sagte ich, „ich fragte euch nur, weil ich es Gloria versprochen hatte.“

„Wir werden da sein,“ sagte Dunlap und lächelte mir nickend zu.

Pastelita wurde ganz nervös, als ich sie einlud. „Was ist das Thema, um was handelt es sich?“ fragte sie.

„Also es geht um nichts Konkretes,“ antwortete ich.

„Du musst dir ein Thema ausdenken,“ fügte sie hinzu und nahm einen Finger in den Mund, nahm ihn wieder heraus und sagte dazu: „Es ist kein richtiges Fest, wenn du kein Thema hast. Kommt der Hund auch?“ fragte sie, streichelte ihn überall und umarmte ihn so fest, dass ihm fast die Augen aus den Höhlen fielen.

„Gut,“ sagte sie, dieser hier könnte das Thema sein, es könnte ein Fest mit dem Thema „Hund“ sein. „Ich werde darüber nachdenken“ sagte ich zu Pastelita.

Die letzte Person die ich einlud war Otis. Ich erzählte ihm alles über das Fest und sagte ihm, dass er herzlich eingeladen sei.

„Nein danke,“ sagte er. „Warum nicht?“ fragte ich. „Mir gefallen Feste nicht,“ antwortete Otis.

„Bitte, flehte ich ihn an, es wird kein Fest, wenn Sie nicht kommen.“ „Ich putze, wische Staub und räume eine ganze Woche lang auf wenn sie kommen!“

„Eine ganze Woche umsonst?“ fragte Otis.

„Ja,“ sagte ich.

„Müsste ich aber nicht mit den Leuten sprechen?“ fragte er misstrauisch „Nein, natürlich nicht, Sie müssten mit niemandem sprechen, aber die Gitarre müssten Sie mitnehmen, vielleicht müssten Sie einige Lieder auf der Gitarre spielen,“ sagte ich ihm so beiläufig wie möglich“ „Das würde ich vielleicht machen,“ sagte Otis, senkte den Blick zu seinen Cowboystiefeln, um ein Lächeln zu verbergen. „Danke,“ sagte ich, „dass Sie sich entschieden haben zu kommen.“


21. Kapitel

Nachdem ich Otis endlich hatte überreden können, an unserem Fest teilzunehmen, war es für Gloria und mich ganz einfach, die restlichen Vorbereitungen für unsere Gartenparty zu treffen. Wir entschlossen uns, mit dem Fest erst gegen den späten Abend zu beginnen, weil es dann kühler war. Am Abend vorher bereiteten wir Eiersandwiches vor. Zuerst schnitten wir vom Toastbrot die Rinden ab, dann machten wir ganz kleine Dreiecke, legten Eiersalat darauf und damit alles hübsch aussah, steckten wir auf jedes einen geschmückten Zahnstocher. Winn-Dixie sass die ganze Zeit neben uns, der Speichel tropfte ihm aus den Maulecken, wedelte ununterbrochen und schaute uns erwartungsvoll an. „Dieser Hund glaubt tatsächlich, dass wir alle Sandwiches für ihn zubereitet haben,“ sagte Gloria. Winn-Dixie zeigte Gloria darauf alle seine Zähne und lächelte. „Die sind leider nicht für dich,“ sagte Gloria. Als ich mich aber kurz abwenden musste, um etwas zu holen, steckte sie ihm schnell eines zu, eines ohne Zahnstocher. Dann mixten wir noch einen ganz speziellen Punch. Wir tauften ihn auf Glorias Namen, „Dump-Punch, weil Gloria zum Nachnahmen Punch hiess.“ Sie beteuerte, dass er der beste sei, weltweit. In eine grosse Karaffe leerten wir Orangensaft, Traubensaft und Zitronensaft. Ich muss sagen, dass ich selbst nie zuvor, etwas von einem „Dum-Punch“ gehört hatte. Zum Schluss schmückten wir noch den Garten. Bunte Papierschlangen, rote, gelbe, grüne und blaue hängten wir an die Bäume. Für die Beleuchtung füllten wir grosse Papiersäcke mit Sand und steckten Kerzen hinein. Ein paar Minuten, bevor das Fest beginnen sollte, wollten wir sie dann anzünden. Der Garten verwandelte sich in einen Zaubergarten.

„Mmmm-hmmm“ staunte Gloria, als sie sich im Garten umblickte. Ich selbst war auch begeistert über die Verwandlung des Gartens. Es sah alles so wunderschön aus, dass ich mich ganz seltsam fühlte, als ob mein Herz schmerzte, weil es sich so gross und voll anfühlte. Ich wünschte mir so sehr zu wissen, wo meine Mutter war und dass sie auch an meinem Fest hätte teilnehmen können.

Die erste Person, die eintraf, war Fräulein Franny Block. Sie trug ein schönes glänzendes, grünes Kleid und dazu feine Schuhe mit hohen Absätzen, mit denen sie hin-und her-und vor-und zurückwackelte, wenn sie ging. Selbst wenn sie nur dastand, schwankte sie hin und her, als ob sie auf einem Boot stünde. Sie überreichte mir eine grosse Glasschüssel mit Littmus Caramels und sagte dabei: „Ich habe etwas Süsses zum Dessert mitgebracht.“ „Vielen Dank Franny ,“ sagte ich und stellte die Schüssel auf den Tisch zu den Eiersandwiches und dem Punch. Darauf stellte ich sie Gloria Dump vor. Sie reichten sich dann die Hände und sagten einander etwas höfliches.

Dann trafen Pastelita und ihre Mutter ein. Pastelita trug einen grossen Stapel mit Hundefotografien bei sich, welche sie aus Zeitschriften ausgeschnitten hatte, dazu sagte sie: „Es passt gut zum Thema Hund, du kannst sie gut zum Dekorieren gebrauchen, ich habe auch Celophan mitgebracht.“ Sie sprang von einer Seite zur anderen und hängte die Hundefotos überall hin, an die Stühle, an die Bäume und rund um den Tisch.

„Sie hatte von nichts anderem mehr gesprochen als von diesem Fest,“ sagte ihre Mutter. „Könntest du sie dann nach Hause begleiten, wenn das Fest zu Ende ist?“ „Natürlich Frau Thomas,“ sagte ich.

Als ich Pastelita zuerst Franny und dann Gloria vorstellte, kam gerade der Pastor. Er trug eine Kleidung mit Kravatte und er machte einen feierlichen Eindruck. Er gab die Hand zuerst Gloria Dump und dann Fräulein Franny Block und sagte, dass er sich sehr freuen würde sie kennen zu lernen und dass er nur Gutes von ihnen gehört hätte. Er tätschelte auch Pastelitas Kopf und sagte, dass er es grossartig finde, sie auch ausserhalb der Kirche zu treffen.

Die ganze Zeit bewegte sich Winn-Dixie mitten unter den Leuten. Er wedelte, je nach Stimmung, nur mit dem Schwanz oder mit seinem ganzen Hinterteil. Einmal war seine Freude so gross, dass er mit seinem Hinterteil beinahe das alte Fräulein Franny Block aus dem Gleichgewicht gebracht hatte und sie deshalb beinahe zu Boden gefallen wäre.

Dann stiess auch noch Amanda Wilkinson zu uns. Sie war zwar schüchtern, aber die Stirne war für einmal nicht gerunzelt, wie man sich an ihr gewohnt war. Ich ging zu ihr und stellte sie Gloria Dump vor, dabei war ich über ihre Freude, Amanda Wilkinson zu sehen überrascht.

In diesem Augenblick wäre ich gerne zu Amanda Wilkinson gegangen und hatte ihr gesagt, dass ich alles über ihren Bruder Carson wusste und wie man sich fühlen musste, wenn man einen Menschen verliert, den man lieb hatte. Aber behielt es für mich.

So standen nun alle herum und schauten sich gegenseitig lächelnd, aber auch ein wenig verlegen an, als ein Gekrächze durch die Leute ging: „Gertrudis ist ein schöner Papagei!“ Die Ohren von Winn-Dixie wurden ganz steif, er bellte einmal und schaute sich um. Auch ich schaute mich um, sah aber weder Gertrudis noch Otis. „Ich komme gleich wieder,“ sagte ich. Winn-Dixie und ich rannten hinter das Haus. Es war genau so, wie ich gedacht hatte. Otis stand auf dem Trottoir hinter dem Haus und trug seine Gitarre am Rücken. Gertrudis sass auf seiner Schulter. In einer Hand hielt er eine riesige Flasche mit Essiggurken. Noch nie hatte ich so eine grosse Flasche mit Essiggurken gesehen. „Otis,“ sagte ich, „komm, auf der anderen Seite des Hauses findet das Fest statt!“ „Oh,“ sagte er, bewegte sich aber keinen Millimeter von der Stelle. „Hund!“ krächzte Gertrudis, spannte ihre Flügel auf und landete auf dem Kopf von Winn-Dixie. „Mach dir keine Sorgen Otis“, sagte ich, „es sind nur einige Leute da, praktisch niemand.“ „Oh,“ wiederholte er wieder und schaute rund um sich, als wäre er verloren. Dann zeigte er mir die Flasche mit den Essiggurken und sagte verlegen: „Ich habe Gurken mitgebracht,“ „ich habe es gesehen,“ entgegnete ich und fügte noch ganz leise hinzu: „Das ist genau das, was wir noch brauchen, die passen ausgezeichnet zu unseren Eiersandwiches.“ Mit diesen einfühlsamen Worten wollte ich ihn anlocken, als ob er ein scheues Tier wäre, das mir aus der Hand fressen sollte.

Otis folgte mir mit winzigen Schritten. „ Komm nur !“ flüsterte ich und ging mit Winn-Dixie langsam weiter, dabei hörte ich seinen aufgeregten Atem hinter mir.


22. Kapitel

Otis folgte mir langsam bis zum Innenhof, wo das Fest stattfand. Als er die vielen Leute sah, wollte er wieder umkehren. Aber ich nahm seine Hand und stellte ihn meinem Vater vor.

„Papa,“ sagte ich, „das ist Otis, er ist der Angestellte von der Tierhandlung Gertrudis, er spielt Gitarre.“ „Guten Abend!“sagte der Pastor und gab ihm die Hand. Otis stand nur da, wechselte die Flasche mit den Gurken von einer Hand zur anderen, und wusste nicht recht, mit welcher er den Pastor grüssen sollte. Dann beugte er sich, um die Flasche mit den Gurken auf den Boden zu stellen, dabei rutschte ihm die Gitarre von der Schulter und schlug mit einem Going-ng-ng gegen seinen Kopf. Pastelita musste lachen, sie glaubte, dass er es ihr zuliebe getan hatte. „Autsch!“ sagte Otis, erhob sich, nahm die Gitarre vom Arm und legte sie auf den Boden neben der Flasche mit den Gurken. Dann wischte er seine schweissnasse Hand an den Hosen ab und reichte sie schweigend dem Pastor. „Es ist mir ein Vergnügen, ihnen die Hand zu reichen!“ sagte der Pastor. “Danke, ich habe Gurken mitgebracht,“ stotterte Otis „Ja, ich habe es gesehen,“ antwortete der Pastor freundlich.

Nachdem der Pastor Otis begrüsst hatte, stellte ich ihn noch Fräulein Franny Block, Amanda und Gloria Dump vor. Gloria streckte ihm die Hand entgegen und lächelte, Otis erwiderte ihr Lächeln. „Ich habe Ihnen für Ihr Fest Essiggurken mitgebracht,“ sagte er. „Ich freue mich darüber, “sagte Gloria. „Ein Fest ist kein Fest ohne Essiggurken.“ Otis blickte zu seinen Gurken auf dem Boden und wurde ganz rot dabei vor Freude.

„Opal, wann kommen die Buben?“ fragte Gloria. „Ich weiss es nicht,“ sagte ich mit erhobenen Schultern. „Ich sagte ihnen, um welche Zeit das Fest beginnt.“

Das, was ich aber nicht sagen wollte, war, dass sie möglicherweise gar nicht kommen wollten, weil sie Angst hatten am Fest einer Hexe teilzunehmen.

„Gut,“ sagte Gloria Dump in die Runde, „wir haben Eiersandwiches, wir haben Dump-Punch, wir haben Essiggurken, wir haben Hundefotos, wir haben Littmus-Caramels und wir haben auch einen Pfarrer, der unser Fest segnen kann.“ Dabei blickte sie den Pastor freundlich an. Mein Vater stimmte mit einem Kopfnicken zu , räusperte sich und sagte:

„Lieber Gott, wir danken dir für die warme Sommernacht, für das Licht der Sterne und für das feine Essen. Aber vor allem danken wir dir für unsere Freunde, die uns mit ihrem Dasein beschenken, mit denen wir Freud und Leid teilen können. Wir sind dankbar für die Aufgabe, die du uns stellst, die Aufgabe, dass wir uns gegenseitig schätzen und lieben sollen, so wie du uns liebst. Gesegnet seist du Jesus. Amen.“

„Amen!“ flüsterten alle.

„Gertrudis!“ krächzte der Papagei aufgeregt. „Wollen wir jetzt essen?“ fragte Paselita. Winn-Dixie nieste.

In diesem Augenblick hörte man von weitem ein Donnerhallen, zuerst glaubte ich, es wären die Därme von Winn-Dixie, welche vor lauter Hunger ein solches Geräusch machten. „Ich nehme nicht an, dass es zu regnen beginnt, man hat keinen Regen voraus gesagt,“ sagte Gloria.

„Dieses Kleid ist aus Seide,“ sagte Franny Block ängstlich, „es darf nicht feucht werden.“ „Vielleicht müssen wir hineingehen,“sagte Amanda. Der Pastor schaute gegen den Himmel und in diesem Augenblick begann es sintflutartig an zu rgnen.

23. Kapitel

„Rettet die Eiersandwiches!“ rief Gloria „Rettet den Punsch!“ rief ich „Ich nehme alle Hundefotos ab!“ schrie Pastelita und sprang umher, riss alle Hundefotos vom Tisch, von den Stühlen und von den Bäumen. Ich packte das Tablett mit den Eiersandwiches. Der Pastor packte den Punch und wir rannten in die Küche damit. Als ich nochmals nach draussen ging, sah ich, wie Amanda Franny Block festhielt und sie hinein begleitete. Sie schwankte so stark auf ihren Stöckelschuhen, dass der Regen und der Wind sie garantiert umgeworfen hätten, wäre ihr nicht Amanda zu Hilfe gekommen.

Bevor ich hineinging, schaute ich mich noch einmal im Garten um. Alle Papierschlangen waren heruntergenommen und alle Kerzen waren ausgelöscht. Dann sah ich Otis. Er stand noch da, neben seiner Essiggurkenflasche und schaute zu Boden. „Otis!“ rief ich, „komm herein, es regnet!“ Dann kam auch er in die Küche. Amanda und Franny Block schüttelten sich den Regen von den Kleidern als ob sie Hunde wären. „Wie kann es nur so regnen, so eine Verschwendung, nicht?“ sagte Franny und der Pastor fügte hinzu: „Er kam sehr schnell, dieser Regen.“

„Uuuuuyyyy, wie das regnet! schrie Gloria Dump.

Der Donner erschütterte das ganze Haus.

„Hund!“ krächzte Gertrudis auf dem Küchentisch und flatterte aufgeregt mit seinen Flügeln.

„Ja, wo ist der Hund, wo ist Winn-Dixie?“ schrie ich.

Ich hatte ihn ganz vergessen. Ich war mit dem Fest so beschäftigt, dass ich ihn ganz vergessen hatte. Ich hatte ganz vergessen, dass er vom Donnergrollen panische Angst hatte.

„Komm Opal!“ sagte der Pastor, „es kann sein, dass er sich im Garten unter dem Tisch versteckt hatte, komm mit, wir wollen nachsehen.“

„Wartet einen Moment!“ sagte Gloria, „nehmt die Taschenlampe und die Regenschirme mit.“ Ich konnte aber nicht warten, bis sie die Regenschirme und die Taschenlampe gefunden hatte und rannte allein hinaus in den Garten. Unter dem Tisch, in den Sträuchern und hinter den Bäumen suchte ich Winn-Dixie. Ich schrie und schrie nach seinem Namen. Ich hatte einen Klumpen im Hals vor Angst, denn es war meine Schuld. Ich wusste, dass ich ihn beschützen musste, doch ich hatte es vergessen, einfach vergessen.

„Opal!“ rief der Pastor. Ich sah zu ihm. Er stand da im Garten zusammen mit Gloria, Dunlap und Stevie Dewberry. “Sie sind zu deinem Fest gekommen.“ rief mir der Pastor zu. “Ist mir egal.“ rief ich zurück. „Komm sofort hierher!“ rief Gloria Dump mit einer tiefen und ernsten Stimme. Mit einer Taschenlampe leuchtete sie mir den Weg zu ihnen hin. Sie gab mir die Taschenlampe und sagte: „Sag den beiden hallo, und sag ihnen, dass du dich freust für ihr Kommen und sag, dass du zurückkommen wirst, sobald du deinen Hund gefunden hast.“ „Hallo „ sagte ich. „danke dass ihr gekommen seid, sobald ich Winn-Dixie gefunden habe, komme ich schnell wieder zurück.“ Stevie starrte mich nur mit offenem Munde an. „Möchtest du, dass ich dir helfe?“ fragte Dunlap. Ich verneinte mit dem Kopf und gab mir Mühe nicht zu weinen.

„Komm her!“ sagte Gloria. Sie zog mich an sich und flüsterte mir zu:

„Es hat keinen Sinn, etwas an sich zu klammern, das fortgehen will. Du musst das lieben, was du hast, während du es hast!“ Dabei drückte sie mich ganz fest. „Viel Glück beim Suchen.“ rief sie mir nach.

Der Pastor und ich gingen durch den Regen in den Garten um Winn-Dixie zu suchen. „Viel Glück!“ rief Franny Block aus der Küche. Ich hörte noch, wie Pastelita sagte, dass der Hund sich sicher nicht verlaufen habe, er sei zu intelligent um sich zu verlaufen.

Als ich mich nochmals umdrehte, sah ich, wie Dunlap immer noch da stand. Das Licht vom Innern des Hauses schien auf seine Glatze. Es machte mich traurig, ihn so stehen zu sehen, im Garten von Gloria, mit seiner glänzenden Glatze. Dunlap sah, dass ich ihn ansah, er erhob die Hand und winkte mir zu. Ich winkte ihm nicht zu.


24. Kapitel

Der Pastor und ich machten uns auf die Suche. „Winn-Dixie“! riefen wir in die Dunkelheit. Es war gut, dass es so stark regnete, denn es war einfacher zu weinen. Ich weinte und weinte und weinte und redete die ganze Zeit zu Winn-Dixie.

„Winn-Dixie!“ schrie ich.

„Winn-Dixie!“ schrie der Pastor und pfiff ganz laut durch die Finger. Aber der Hund gab kein Lebenszeichen von sich. Wir liefen das ganze Dorf ab. Das Haus von den Dewberrys, die Bibliothek von Franny Block, das gelbe Haus von Pastelita und die Tierhandlung Gertrudis. Wir suchten den ganzen Campingplatz ab. Unter jeden Wohnwagen schauten wir, unter unserem zuerst, aber wir fanden ihn nicht. Auch in und um die Kirche Brazos Abiertos gingen wir. Wir liefen bis zur Autobahn. „Papa.“ jammerte ich, „was ist, wenn man ihn überfahren hat?“ „Opal,“ antwortete der Pastor, „wir sollten uns keine Sorgen machen über etwas was passiert sein könnte, alles, was wir machen können, ist weitersuchen.“ Während wir herumliefen, überlegte ich, was ich über Winn-Dixie alles wusste. Ich musste über ihn einen Steckbrief schreiben, um ihn dann im ganzen Dorf aufzuhängen. Den Menschen würde es helfen ihn zu erkennen.

Mit diesen Sätzen würde ich den Steckbrief schreiben:

Erstens, dass er panische Angst vor dem Donner hat.

Zweitens, dass er, wenn er lacht, alle seine Zähne zeigt.

Drittens, dass er ganz schnell rennen kann.

Viertens, dass er schnarcht.

Fünftens, dass er Ratten mit den Zähnen fangen kann, ohne sie zu beissen.

Sechstens, dass er gerne Menschen kennenlernt.

Siebtens, dass er gerne Erdnussbutter isst.

Achtens, dass er es nicht erträgt, alleine gelassen zu werden.

Neuntens, dass er gerne in Polstersesseln sitzt und gerne in Betten schläft.

Zehntens, dass es ihm nichts ausmacht in die Kirche zu gehen.

Ich ging die Liste im Kopf immer wieder durch, bis ich sie auswendig aufzählen konnte. Genau so, wie die zehn Sachen, die mir der Pastor von meiner Mutter erzählt hatte.

Ich machte es deshalb, weil, wenn ich Winn-Dixie verlieren würde, ihn in ewiger Erinnerung behalten würde. Das machte mich so traurig, dass ich nochmals ganz fest weinen musste.

Wir suchten Winn-Dixie noch eine ganze Weile. Schlussendlich sagte mein Vater, dass wir besser heimkehren sollten. „Aber Papa.“ sagte ich. “Winn-Dixie ist irgendwo hier draussen, wir dürfen ihn nicht alleine lassen. “Opal,“ entgegnete er. “Wir haben überall gesucht und gesucht.“ „Ich hätte nicht geglaubt, dass du so schnell aufgeben würdest,“ sagte ich enttäuscht.

„Widersprich mir nicht.“ sagte der Pastor traurig und müde. “Komm, es ist Zeit zurück zu gehen.“ fügte er hinzu. „Nein, ich gehe nicht.“ sagte ich. „geh doch du, ich muss weitersuchen!“ „Opal.“ wiederholte der Pastor mit einer scharfen und tiefen Stimme. „Es ist Zeit zurückzukehren!“

„Du gibst immer so schnell auf!“ schrie ich ihn an. „Immer steckst du deinen Kopf in deinen blöden Schildkrötenpanzer, ich wette, dass du nicht einmal nach meiner Mutter suchtest, als sie fort ging.“

„Kind,“ sagte der Pastor traurig. „Ich konnte sie nicht aufhalten, ich hatte es versucht. Glaubst du mir denn nicht, dass ich es lieber gehabt hätte, wenn sie da geblieben wäre? Weißt du denn nicht, dass ich sie jeden Tag vermisse?“ Er breitete hilflos seine Arme aus und liess sie dann fallen und sagte ganz traurig: „Ich versuchte es, ich versuchte es immer wieder.“

Und dann geschah etwas Unglaubliches, er fing an zu weinen. Der Pastor schluchzte und seine Schultern hoben und senkten sich dabei. Darauf sagte er. „Und glaub nicht, dass es mich nicht auch schmerzen würde, diesen Hund zu verlieren. Ich liebe ihn auch.“

„Papa,“ flüsterte ich und ging zu ihm. Ich legte meine Arme um ihn. Er weinte so fest, dass er am ganzen Körper zitterte. „Es ist nichts passiert.“ sagte ich ihm. „Mach dir keine Sorgen, es wird alles wieder gut.“ Ich sprach auf ihn ein, als wäre er ein verängstigtes Kind. Wir standen noch eine ganze Weile so da, in der Umarmung und wiegten uns hin- und her. Danach löste der Pastor die Umarmung und wir hielten uns an der Hand.

Dann nahm ich allen Mut zusammen und fragte ihn: „Glaubst du, dass meine Mutter eines Tages zu uns zurückkehren wird?“ „Nein.“ sagte er. “Nein, das glaube ich nicht, ich glaube nicht, dass sie jemals wieder zurückkehrt. Ich habe gewartet, ich habe gebetet, ich habe all die Jahre von ihr geträumt.“

„Du Papa, Gloria sagte zu mir, dass man nichts festhalten kann, das fort gehen will und dass man nur das lieben kann, was man hat, während man es hat.“ „Gloria hat Recht,“ sagte der Pastor. „Sie hat ja so Recht!“

„Aber ich weiss nicht, ob ich Winn-Dixie loslassen könnte, wenn er fortgehen wollte.“

„Komm“ sagte der Pastor, „wir suchen ihn weiter und dabei muss ich dir etwas ganz Wichtiges sagen, India Opal. Als ich dir sagte, dass Mama alles mitgenommen hatte, als sie fortgegangen war, hatte sie doch etwas vergessen. Etwas ganz Wichtiges hat sie mir zurückgelassen.

„Was?“ fragte ich. „Dich!“ antwortete der Pastor. „Dank sei Gott, hat sie dich zurückgelassen.“

Und dann umarmte er mich ganz fest. „Ich bin auch froh, dich zu haben.“ erwiderte ich. Und ich wusste, dass das die Wahrheit war.

Ich legte meine Hand in die seine und wir liefen, „Winn-Dixie“ rufend dem Dorfe zu.


25. Kapitel

Schon von Weitem hörten wir Musik aus dem Haus von Gloria Dump. Wir konnten die Klänge der Gitarre hören und das Singen, das Lachen und das Klatschen der Gäste.

Ich fragte mich, wie die nur so ausgelassen feiern konnten, obwohl Win-Dixie fehlte.

Wir näherten uns dem Haus, überquerten den Innenhof und gingen in das Haus. Alle sassen beisammen, Otis war am Spielen auf seiner Gitarre, Franny Block und Gloria sassen lachend und singen auf einem Stuhl Goria hielt Pastelita in den Armen, Dunlap und Stevie sassen auf dem Fussoden und amüsierten sich grossartig. Auch Amanda schaute ganz glücklich drein. Ich konnte fast nicht zusehen, wie sie sich so köstlich amüsierten.

„Wir haben ihn nicht gefunden!“ schrie ich wütend in die Runde. Die Musik verstummte, Gloria schaute mich an und sagte:

„Wir wissen schon, dass ihr ihn nicht gefunden habt. Ihr habt ihn nicht finden können, weil er die ganze Zeit hier war.“ Sie nahm das Stöckchen und tätschelte auf etwas, das unter dem Tisch war und sagte: „Komm hervor!“

Ich hörte etwas grunzen, ich konnte es kaum glauben. „Er schläft wie ein Stein,“ sagte Gloria lächelnd.“

Gloria stocherte noch einmal mit ihrem Stöcken unter dem Tisch und dann kam er hervor. Er streckte sich, gähnte und schneutzte. „Winn-Dixie !“ schrie ich ausser mir vor Freude. „Hund!“ krächzte Gertrudi. Winn-Dixie wedelte nicht nur mit dem Schwanz, das ganze Hinterteil flog hin und her, er zeigte mir alle seine Zähne und nieste einige Male.

Ich ging in die Knie und drückte ihn ganz fest an mich, er zerrte mich auf den Fussboden und leckte mir das ganze Gesicht ab, ich küsste ihn so fest wie ich ihn noch nie geküsst hatte.

„Wo bist du gewesen?“ fragte ich ihn, darauf nieste er.

„Wie und wo und wann habt ihr ihn gefunden?“ fragte ich Gloria.

„Es ist eine verrückte Geschichte,“ sagte Franny Block und sagte zu Gloria: „Bitte erzähl du ihnen die Geschichte, die passiert ist während ihrer Abwesenheit.

„Gut,“ sagte Gloria.

„Während ihr nach Winn-Dixie suchtet, sassen wir alle zuerst schweigend da und warteten auf euch.

Dabei nutzte ich die Gelegenheit, Dunlap und Stevie zu überzeugen, dass ich keine schreckliche Hexe sei, die Hunde esse und Zauberdrinks mixe. Stevie hatte es eingesehen, aber er schien mir fast ein wenig enttäuscht zu sein.

Auch Dunlap pflichtete mir bei, natürlich keine Hexe zu sein, er meinte, wenn ich eine wäre, dann hätte ich sie alle in Kröten verwandeln können.

Amanda sagte auch noch zu den Buben, sie hätte ihnen schon sagen können, dass es gar keine Hexen gibt, Hexen existierten nur in Märchen und in Legenden.

Ich wollte dann die Hexengeschichte beenden und forderte Otis auf, etwas zu spielen, bis ihr zurück seid. So fing Otis zu spielen und zu singen an. Es gab kein Lied, das er nicht kannte, er ist ja so begabt.

Als Gloria von Otis schwärmte, lächelten sie sich zu, das Lächeln kam von Herzen, das sah ich.

„Sprich weiter, sag schon, was passiert ist,“ forderte Pastelita Gloria auf, „erzähl endlich vom Hund.“

„Also,“ sagte Gloria Dump. Franny und ich erinnerten uns an alle Lieder, die wir als Kinder gesungen hatten.

Wir sangen also ein Paar Lieder davon und Otis begleitete uns auf der Gitarre.

„Und dann nieste da jemand,“ schrie Pastelita ungeduldig hinein. „So ist es.“ fügte Gloria hinzu. „Es nieste jemand und es war niemand von uns. Also schauten wir uns um, und fragten uns wer es wohl hätte gewesen sein können. Wir suchten und suchten und sahen nichts. Aber in diesem Augenblick gab es ein lautes Hatschiiiiii, es schien, als ob es aus meinem Schlafzimmer gekommen war. So schickte ich Otis, um nachzusehen. Otis ging.

„Und weißt du, wen er da vorgefunden hatte, Opal?“ Ich nickte nur mit dem Kopf.

„Natürlich war es Winn-Dixie!“ schrie Pastelita, „ich habe es ja gesagt, dass er zu intelligent ist, um einfach fort zu gehen!“

Gloria erzählte weiter, „Dieser Hund hatte solche Angst vor dem Donner, dass er sich unter meinem Bett versteckt und sich an die Wand gedrückt hatte, als ob die Welt untergehen würde. Und immer dann, wenn Otis auf seiner Gitarre spielte, hörte man ihn niesen.“

Mein Papa musste lachen ob der Geschichte. „Es ist wahr,“ sagte Franny Block. „Es ist wahr, “fügte Stevie hinzu. Auch Dunlap nickte mir zu und lächelte mich an.

Gloria Dump sagte noch, dass Otis nur noch für Winn-Dixie gespielt habe, und so sei er dann ganz langsam und kriechend aus seinem Versteck hervorgekommen.

„Er war voll Staub. “Sagte Amanda. „Er sah aus wie ein Gespenst, “sagte Dunlap. „Ja, genau wie ein Gespenst,“ doppelte Pastelita nach.

Er legte sich dann hier, neben mir unter den Tisch und schlief sofort friedlich ein, bis ihr zwei zurückgekommen seid.“ Sagte Gloria Dump.

„Oh, mein Winn-Dixie, mein lieber Hund, “sagte ich ihm und drückte ihn nochmals so fest an mich, dass er beinahe keuchte. „Weißt du, wir, mein Papa und ich waren dort draussen in der Nacht und suchten dich überall, wir pfiffen und riefen dir und weinten um dich, während du die ganze Zeit hier im Haus warst.

Ich danke euch allen herzlich.“„Ist schon gut, Opal,“ sagte Gloria. “während wir alle da sassen und auf euch warteten, sangen, assen und tranken wir zusammen. Wir sind auch gute Freunde geworden. Der Regen hat den Punch wässrig gemacht und die Eiersandwiches zerstört. Wenn du die Eiersandwiches noch essen möchtest, musst du sie mit einem Löffel essen. Aber wir haben ja auch noch Essiggurken und Littmus Cramels. Und das Fest hat ja erst jetzt angefangen.“

Mein Papa nahm sich einen Stuhl und setzte sich. „Otis, “sagte er. „Kannst du die Nationalhymne spielen?“ „Ich kann einige spielen, “antwortete Otis. „Dann fang an,“ sagte Franny.

So fing mein Papa zu singen an und Otis zupfte an den Seiten der Gitarre die Melodie dazu. Winn-Dixie wedelte mit dem Schwanz und liess sich unter den Stuhl von Gloria fallen. Ich schaute in die zufriedenen Gesichter um mich herum und war so glücklich, dass mein Herz in mir anschwoll vor Freude. „Wollen wir nach Hause gehen?“ fragte ich meinen Vater. Aber alle sangen und lachten so laut und Winn-Dixie schnarchte nicht minder laut dazu, dass mich niemand hören konnte.

26. Kapitel

Draussen hatte es zu regnen aufgehört, der Nebel hatte sich verzogen und der Himmel war so wolkenlos, dass man jeden einzelnen Stern strahlen sehen konnte. Ich lief auf die hintere Seite des Innenhofes von Gloria Dump. Dann ging ich zum Baum mit den vielen Fehlern in den Flaschen, die Gloria einst begangen hatte. Die Flaschen am Baum hingen ganz still, es wehte nicht einmal eine kleine Brise.

Hier liess ich mich nieder und schaute zum Himmel hinauf.

„Mama,“ sagte ich, es war mir, als ob sie neben mir stehen würde.

„Ich weiss nun zehn Sachen von dir, aber es ist noch nicht genug. Papa wird mir noch mehr von dir erzählen. Ich weiss nun, dass du nie mehr zu uns zurückkehren wirst. Er vermisst dich sehr und ich vermisse dich sehr. Aber mein Herz ist nicht mehr leer, es ist ganz voll bis oben hinauf. Ich habe nun viele Freunde hier und Papa liebt mich, so wie ich ihn liebe. Ich verspreche dir, dass ich weiterhin an dich denken werde, aber nicht mehr so viel wie in der letzten Zeit.“

Das war es, was ich meiner Mama sagen wollte, in dieser Nacht unter dem Baum mit den vielen Flaschen voll Fehlern von Gloria Dump. Als ich fertig war, sass ich noch eine Weile da und betrachtete den Sternenhimmel und die Planeten. Und dann erinnerte ich mich an meinen ersten Baum, den ich mit Glorias Hilfe gepflanzt hatte. Ich hatte ihn nicht mehr gesehen bis jetzt.

Auf allen Vieren kroch ich durch den Garten und suchte ihn. Als ich ihn fand, war ich überrascht, wie gross er schon geworden war. Eben sah er noch aus wie ein Setzling, nun ist aus ihm ein kleiner Baum geworden, mit einem starken kleinen Stamm und satten grünen Blätter. Er strotzt gerade vor Gesundheit und Stärke. Ich kniete mich neben ihn, als ich eine Stimme hörte.“ Bist du am Beten?“ Ich blickte hoch und sah Dunlap. „Nein,“ sagte ich, „ich bete nicht, ich studiere“. Er verschränkte die Arme, schaute zu mir hinunter und sage: „Über was denkst du nach?“ „Über viele verschiedene Sachen, zum Beispiel, dass es mir leid tut, dass ich dir und Stevie glatzköpfige Bebès nachrief.“ „Es ist schon gut,“ antwortete er. „Und du, weißt du nun auch, dass Gloria keine Hexe ist?“ fragte ich ihn. „Ja,“ sagte Dunlap, „ich wusste es, ich wusste es schon die ganze Zeit, ich wollte dich damit nur ärgern.“ „Oh“ sagte ich, und wollte ihm in die Augen sehen, aber in der Dunkelheit war es schwierig ihm in die Augen zu sehen. „Möchtest du nicht mehr aufstehen?“ fragte er.“ „Doch,“ antwortete ich.

Dann geschah etwas, was mich überraschte, etwas das ich mir in Millionen Jahren nicht hätte vorstellen können; er nahm meine Hand und half mir aufzustehen. „Komm wir machen ein Rennen bis zum Haus,“ sagte Dunlap und fing schon an zu rennen. „Gut!“ rief ich, „aber ich warne dich, ich bin sehr schnell.“ Ich rannte ihm nach und überholte ihn. Ich berührte vor ihm die Hausecke von Gloria Dump.

„Ihr solltet in der Dunkelheit nicht rennen!“ Mahnte uns Amanda. Sie stand im Innenhof und schaute uns zu. “Ihr könntet mit etwas zusammenstossen, oder es könnte sonst etwas schlimmes passieren.“

„Ach, Amanda,“ sagte Dunlap den Kopf schüttelnd.

Dann erinnerte ich mich an ihren verstorbenen Bruder Carson, der ertrunken war und nahm sie bei der Hand und zog sie ganz sanft an mich heran und sagte liebevoll: „Komm, wir gehen hinein.“

„India Opal,“ sagte mein Papa als Amanda, Dunlap und ich eintraten. „Komm, setz dich zu uns und singe mit uns.“ Ja,“ antwortete ich, „aber ich kenne wenig Lieder.“ „Dann lernst du sie mit uns,“ sagte er, und lachte so fröhlich dabei, dass es gut tat ihn so zu sehen. Pastelita setzte sich auf meinen Schoss und ich hielt sie in meinen Armen und merkte nicht, dass sie schon lange friedlich schlief. „Hättest du Lust auf ein Littmus Caramel?“ Fragte mich Franny Block. „Ja gerne,“ erwiderte ich, packte es aus und steckte es in den Mund. „Möchtest du eine Essiggurke? fragte mich Otis. „Ja, gerne, sobald ich mein Caramel gegessen habe,“ antwortete ich.

Winn-Dixie kam unter dem Stuhl von Gloria Dump hervor und setzte sich an meine Seite. Er lehnte sich an mich und ich lehnte mich an meinen Papa. Amanda stand neben mir und hatte eine Hand auf meine Schulter gelegt und ihre Stirn war entspannt und ihre Augen lächelten. Dunlap knackte mit seinen Fingerknöchel und sagte: „Also, singen wir nun oder nicht?“ Pastelita öffnete die Augen, setzte sich aufrecht auf meine Knie und sagte: „Kommt wir singen für den Hund.“ Otis stimmte eine Melodie an mit seiner Gitarre, und während alle sangen, Gloria, Stevie und Dunlap Fräulein Franny und Amanda Pastelita und mein Papa, spürte ich den Geschmack des Caramels im Mund so intensiv wie noch nie, es machte mich traurig und glücklich zugleich.

Rückseite des Buches:

Dank meinem Freund Winn-Dixie

India Opal, ein Mädchen von 10 Jahren, sollte im Supermarkt etwas einkaufen gehen, kehrt aber statt dessen mit einem Hund nach Hause zurück.

Opal und ihr Vater wohnen erst kurze Zeit in Florida.

Dank Winn-Dixie gewinnt das Mädchen viele Freunde.

Von ihnen lernt sie zuzuhören und die Welt zu verstehen, in der sie lebt.

„Ich glaube nicht, dass sich die Erwachsenen der Wichtigkeit von Kinderfreundschaften immer im Klaren sind.“

Kate DiCamillo

Die Geschichte handelt von Freundschaft, Liebe und Verständnis.

Es kann den Jugendlichen helfen in ihrem alltäglichem Leben die Schwierigkeiten auf eine realistische und positive Weise zu erkennen und zu verstehen.

„Winn-Dixie“ war Preisträger im Jahr 2001“

Ab dem 10. Lebensjahr


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Dank meinem Freund Winn-Dixie


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„Für meine Enkel und ihre Freunde“

Aus dem Spanischen übersetzt von: Rita Henning-Gmünder: Dezember 2007

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